Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
hatte sogar mit dem Gedanken an Hausarrest gespielt. Bis sie sich selbst gesehen hat. In Ketten, gefesselt ohne jede Wahl, ohne jeden Willen, einfach auf Befehle hörend.
Während den wenigen Monaten hatte sie gelernt, was freier Wille war und was Sklaverei bedeutete. Nur direkt nebeneinander machte jedes einzeln Sinn. Sklaverei war die Abwesenheit eines freien Willens. Man tat was andere einem befahlen. Man dachte nicht, man wollte nicht, man funktionierte einfach. Der freie Wille bedeutete Entscheidungen zu treffen und für sein Handeln verantwortlich zu sein. Man trug die Last der daraus resultierenden Konsequenzen auf seinen Schultern.
Aira wollte Serena nicht zwingen bei ihr zubleiben. Sie hatte sich gewünscht, dass Serena von sich aus bliebe. Zornig hatte sie nach Wegen gesucht, Serena bei sich zu behalten. Aber Aira hatte einsehen müssen, dass sie Serena gehen lassen musste, damit sie zu ihr zurückkehren konnte.
Aira hatte sich geschämt, dass all diese furchtbaren Dinge an ihr vorbeigegangen waren. Wie hatte Malhim es nur wagen können Hand an ihre Serena zu legen? Und der Gedanke, dass Haril Serena und ihr Baby hatte umbringen wollen, schmerzte Aira sehr. Sie liebte Haril und hatte ihn mit ihrem naiven Kinderherz vergöttert. Als Lehrer. Alles was er sagte, als Wahrheit angenommen und zu ihrer eigenen Wahrheit gemacht.
Das würde sie nie wieder tun. Sie war ihm blind gefolgt, so wie sie den Lehrern in Magrem gefolgt war. Aber sie wusste jetzt, sie musste sich ihre eigene Meinung bilden und nicht einfach die Meinung anderer annehmen. Ihre zukünftige Rolle war die einer Führerin. Das hieß Entscheidungen zu treffen, über das Leben unzähliger zu wachen. Ihre Lebensart zu beeinflussen. Sie durfte sich nicht einfach auf die Meinung ihrer Lehrer oder Berater verlassen.
Aira musste alle Seiten betrachten, egal wie schwierig und unangenehmen es auch sein mochte. Mögliche Konsequenzen abwägen und dann mit der Entscheidung sowie den tatsächlichen Konsequenzen leben. Sie ließ Serena ziehen, mit der Möglichkeit, sie nie wieder sehen zu können. All diejenigen, bei denen Aira sich geborgen fühlte, hatten sie auf die eine oder andere Weise verlassen. Sie fühlte sich alleine und der Trennungsschmerz saß tief in ihrer Brust. Aber Aira würde stark sein und so viel lernen wie sie konnte, damit sie ihrem Großvater vor die Augen treten konnte, ohne ihn oder sich zu beschämen.
Je näher sie der Grenze des Airenreiches kamen desto schneller klopfte Airas kleines Herz. Sie war noch sehr jung für einen Airen und musste den kindlichen Drang unterdrücken, sich an Serena zu klammern und mit ihr zu gehen. Sie gehörte hier her zu ihrem Volk. Sie würde bald Aufgaben bekommen und wollte ihnen gerecht werden. Sie hatte ihren Platz in der Welt gefunden. Leider war er nicht an der Seite ihrer Freunde.
Ein einsamer Reiter wartete über der Grenze auf sie. Das musste Krohl sein. Serena hatte gesagt, das s Krohl unerkannt bleiben und den Airenwachen nicht begegnen wolle. Aira befahl den Wachen zu warten und ritt mit den anderen die restlichen fünfhundert Meter zu dem Fremden. Zu Airas Enttäuschung hatte er die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen und gaben ihrem Blick nur wenig preis.
„Ihr müsst Krohl sein. Es freut mich einen Freund von Serena zu treffen. Sie hatte erwähnt, dass Ihr meine Mutter kanntet“, begrüßte sie ihn in ihrem nun fast akzentfreien Airisch.
Krohl antwortet in der Vostokensprache: „Ich hatte die Ehre unter ihr dienen zu dürfen. Sie war eine starke und weise Frau. Ihr seht ihr sehr ähnlich.“ Aira versuchte die Gesichtszüge ihres Gegenübers zu erspähen, die Schatten der Kapuze ließen sein Aussehen jedoch nur erahnen. Etwas enttäuscht antwortete sie ihm: „Bei Gelegenheit würde ich gerne mehr von ihr hören. Im Palast scheint das Thema etwas heikel zu sein.“
Dann kam ein starker Wind auf, riss Krohl die Kapuze vom Kopf. Die Sonne brach durch den Wolkenvorhang und Augen in der Farbe von saftigem Moos strahlten ihr entgegen. Die Haare waren feuerrot und nur an wenigen Stellen von silbernen Strähnen durchbrochen. Sein Gesicht war zerfurcht von Falten. Seine Augen sahen Aira verwundert an und saugten jede Kleinigkeit in sich auf. Er hatte etwas Vertrautes an sich. Sie hatte das Gefühl ihn zu kennen und ritt etwas näher. Das Amulett auf ihrer Brust pulsierte und erwärmte sich.
„Wer seid Ihr? Ihr kommt mir irgendwie vertraut vor“, fragte Aira und kniff von
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