Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
seinem Hals und hängte es ihm um. Es war ein kleiner Vogel aus Holz, an einem Lederband befestigt. Dann verschwand er ohne weitere Wort in der Dunkelheit der Nacht. Halif nahm den Anhänger in die Hand und starrte auf den kleinen Vogel. Dann hörte er einen Nachtvogel singen. Leise und traurig, füllte er die Stille der Nacht. In diesem Moment füllte sich Halifs Herz mit dem Wunsch nach Freiheit. Er wollte dem Käfig aus Spielzeugen und Süßigkeit entkommen und durch die Luft fliegen. Er wollte Flügel.
Danach sah er seinen Bruder nur aus der Ferne. Sah wie man ihn zu einem Soldaten ausbildete. Wenn sie sich zufällig im Gang begegneten, ignorierten sie sich. So wollte man es. Er wurde belohnt mit mehr Spielzeug, mit mehr Süßigkeiten. Mit Einsamkeit. Mit der Einsamkeit kamen die Masken. Er studierte die Menschen um sich herum, ihre verschiedenen Gesichter. Gesichter des Gehorsams, der Heiterkeit, Traurigkeit, des Betrugs, der Freundlichkeit, der Angst, des Hasses.
Er lernte den anderen das zu zeigen, was sie sehen wollten. Wie Masken setzte er seine Lippen, seine Augen, seien Brauen ein, um Gefühle auszudrücken, die nicht die seinen waren. Um Gefühle hervorzurufen, die ihm das brachten, was er wollte. Mit seinen jungen Jahren, immer noch in den Kinderschuhen, lernte er das Spiel der Erwachsenen, perfektionierte es und machte es zu seinem Werkzeug und seiner Waffe. Ein Werkzeug, dass ihm später die so herbeigesehnte Freiheit schenkte. Jahre später.
…
Halif schüttelte die Gedanken an Vergangenes und gebrochene Versprechen ab. Er wendete sich dem Buch neben ihm zu. Halif hatte ein erstaunliches Gedächtnis. Was er einmal gelesen hatte, brannte sich in sein Gehirn ein. Wie eine Bücherei mit einem perfekt geordneten Verzeichnis konnte er die Informationen zu jeder Zeit abrufen.
Er mochte Bücher. E r mochte es zu lesen. Halif liebte es neue Schriften, Hieroglyphen und Bildfolgen zu entschlüsseln und tief in ihre Geheimnisse abzutauchen. Es gab so viele Bücher. Er hatte sich häufiger für kurze Zeit über die Grenzen des Vostokenreiches gewagt, zu Städten und Märkten, die für Handel geöffnet waren. Es gab nicht viele davon, aber er kannte sie alle und suchte sie regelmäßig auf. Dort gab es seltene Bücher, in anderen Teilen der Landen verboten und verbannt. Seine neueste Errungenschaft hatte er auf einem Markt in einer kleinen Stadt Namens Knischk gefunden.
In der Stadt selbst lebten nur sehr wenige. Aber im Frühjahr, wenn die Strahlen der Sonne den Schnee auf den westlichen Bergpässen tauen ließ und die Welt sich im Frühlingstaumel schüttelte, trafen sich hier die Händler aller Völker. Selbst wenn alle Rassen untereinander im Krieg lagen, konnte man sie hier in Frieden Waren tauschen, kaufen und verkaufen sehen. Preisgefechte wurden nur mit Worten ausgetragen und man ging mit einem Händeschütteln und einem Lächeln auseinander. Die Stadt lag am Baklak, dem größtem See der Landen und war auch sehr gut per Schiff zu erreichen.
Hier war Halif seinen ersten Senjyou und Airen begegnet. Sogar Orks und Severen boten in Knischk ihre Waren feil. Mehr oder minder friedlich. Wer Stunk machte, wurde von den Senarirothen „zurechtgewiesen“ und im schlimmsten Fall verbannt. Die Senarirothen waren ein kleiner Orden, der aus Mitgliedern der verschiedensten Rassen bestand und für Friede und Ordnung in und um Knischk sorgte. Halif hatte schon mehr als nur einmal mit ihnen Bekanntschaft gemacht. Die interessantesten Bücher gab es nämlich auf dem Schwarzmarkt. Dort wurden nicht registrierte Waren hinter der Hand für viel Silber verkauft. Bücher, die es gar nicht geben durfte. Allein bei dem Gedanken juckten Halif die Handflächen.
Und solch ein Buch hielt er gerade in den Händen. Es war dünn, unscheinbar und in der Vostokensprache. Es schien uninteressant. Aber alt. So alt, dass es unter den Händen zerbröckelte, wenn man es unvorsichtig anfasste. Es trug den Titel „Schlüssel“. Ohne Inhaltsverzeichnis, handschriftlich verfasst. Es war für Schwarzmarktpreise günstig gewesen und hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Es würde sich gut in seiner Sammlung machen. Ein Grund, warum er immer wieder ins Vostokenreich zurückkehren würde. Seine geheimen Bibliotheken. Allein bei dem Gedanken pochte Halifs Herz schneller.
Er war leidenschaftlicher Sammler und seine Sucht waren seltene Bücher. Mit den Jahren war es immer schwer geworden die Bücher auf immer dem Sprung mitzunehmen und sie
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