BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
hielt ich mit Phils Unterstützung meinen selbst erstellten Zeitplan gut ein. Wir hatten eine Sondergenehmigung bekommen, näher als gewöhnliche Besucher an die Gehege heranzugehen. Mit Hilfe einer kleinen transportablen Bühne konnten die Mädchen auf gleicher Höhe mit den Raubtieren ihre Pelze vorführen. Ich machte Aufnahmen vor Panther-, Geparden- und Löwenkäfigen. Manchmal musste man geraume Zeit warten, bis sich eines der meist noch dösenden Tiere dazu bequemte, sich nahe der Absperrung zu zeigen. Phil imitierte ihr Knurren und machte wilde Hampeleien, damit möglichst ein geblecktes Gebiss mit aufs Foto kam. Einige Male hatte er mit seinem Blödsinn sogar Erfolg.
Die Wildkatzen zeigten sich mit der Zeit erfreulich kooperativ. Neugierig schnuppernd beobachteten sie die seltsame Szenerie vor ihrer Behausung. Mehr Probleme gab es mit den Mannequins. Trotz des gestrigen Regens herrschte nun wieder eine drückende, subtropische Schwüle. Unter ihren Pelzen schwitzten die Mädchen wie in einer Sauna. Nach jeder Aufnahme musste die Visagistin die Gesichter vom Schweiß befreien und verlaufene Lidschatten und Rouge erneuern. Notgedrungen wurden die Pausen zwischen den Serien immer länger.
Ich nutzte die Zeit, um nochmals die Beleuchtung und den gewählten Hintergrundausschnitt zu kontrollieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich fast ausschließlich durch den Sucher meiner Kamera geblickt; alles, was rechts und links davon lag, wurde von mir einfach nicht wahrgenommen. Das Objektiv trat an die Stelle meiner Augen. Dieses Ausblenden von anscheinend Nebensächlichem war eine notwendige Berufskrankheit. Nur das zu fotografierende Objekt hatte Substanz, alles andere verflüchtigte sich zu imaginären Schemen.
Erst als ich jetzt zur Bühne hinüber ging, bemerkte ich die kleine Ansammlung von neugierigen Besuchern, die uns bei den Aufnahmen zusahen. Ich war so in meine Arbeit versunken, dass mir überhaupt nicht bewusst wurde, wie sich der Tierpark langsam mit Menschen gefüllt hatte. Seit über einer Stunde war der Zoo nun auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Während ich mit dem Lichtmesser hantierte, beobachtete ich nun meinerseits verstohlen die Gruppe der Schaulustigen. Ältere Frauen in kitschig geblümten Kostümen und Strohhüten auf dem Kopf tuschelten untereinander oder mit noch älter erscheinenden Herren in khakifarbenen Sommeranzügen; Rentner, die sich einen schönen Morgen in den weitläufigen Grünanlagen des Parks machen wollten. Jüngere Besucher konnte man zu dieser frühen Stunde an einem normalen Werktag auch kaum erwarten.
Ich wollte mich gerade wieder meinem eigentlichen Aufgabenfeld widmen, als ich etwas in der Menge aufblitzen sah. Etwas Weißes. Das Aufleuchten dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, mein fotografisch geschultes Auge fand jedoch ohne Mühe seinen Ausgangspunkt. Im Schatten zweier recht beleibter älterer Damen sah ich sie stehen. Eine Frau, deutlich jünger als die sie umgebenden Menschen. Fast noch ein Mädchen. Augenblicklich verwandelten sich meine Pupillen in zwei Zoomobjektive. Die beiden fetten Alten zerfielen zu undeutlichen Farbflecken, nur die Gestalt der jungen Frau zeichnete sich gestochen scharf in meinem Gehirn ab; so, als stünde sie direkt vor mir und nicht in zehn Metern Entfernung. Und nun erkannte ich auch, was mich abgelenkt hatte.
Ich weiß nicht, worauf Männer im allgemeinen zuerst bei Frauen achten, ob es ihr Haar ist, oder ihr Busen, ihre Lippen oder ihre Stimme, ihr Gang oder ihre Art, sich eine Zigarette anzuzünden, ihre Beine oder ihr Lächeln; es gibt unzählige dieser manchmal so ausschlaggebenden Körpersignale und nicht einmal ich selbst bin mir sicher, worauf ich mein Augenmerk lenke. Bei Natascha habe ich allerdings keinen Zweifel, was die Kette meiner Emotionen auslöste. Es waren ihre Augen, diese grünlich-grau schimmernden Kreise, die durch eine beinahe dreieckige dunkle Pupille durchzogen wurden (dies konnte ich allerdings erst später aus nächster Nähe erkennen.) Sie waren es gewesen, die mich kurzzeitig geblendet, mich an sie gefesselt hatten. Alles Licht schien sich in ihnen zu sammeln; blickten sie einen an, sah man tausende winziger Reflexionen in ihnen tanzen. Licht war dort, aber auch Schatten. Es konnte geschehen, dass nach einem einzigen Blinzeln das Funkeln plötzlich verschwand, so, als sei es nie da gewesen. Was dann von ihren langen Wimpern enthüllt wurde, war von einer undurchdringlichen Schwärze; dunkel und
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