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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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um. Die Gruppe der Zuschauer hatte sich längst verlaufen. Ältere Paare flanierten nun auf den Wegen, kein sonderliches Interesse an den Tieren, geschweige denn an mir zeigend. Von meiner Verabredung war selbstverständlich weit und breit nichts zu sehen. Ziellos schlenderte ich einfach drauflos.
    Der Sherman-Zoo hatte sein Gesicht seit der Gründung im Jahre 1856 nur recht behäbig und widerstrebend geändert. Ähnlich einem alten, engstirnigen Eigenbrötler schien er jeder Neuerung mit großer Skepsis gegenüber zu stehen. Viele der Tierhäuser, an denen ich auf meinem Weg vorüber kam, waren imposante Zeugen des Klassizismus; massive dorische oder korinthische Säulen erhoben sich vor ihren Portalen. Das aufmerksame Auge fand nur wenige Indizien dafür, dass die Zeit seit damals nicht stehengeblieben war. Kunstvoll geschwungene Eisenzäune um Rasen- und Teichanlagen sowie farbige Blumen- und Tierornamente in einigen bleigefassten Glasfenstern kündeten schüchtern von der Zeit des Jugendstils. Weitere Architektur gab es nicht.
    Mein Erstaunen war daher groß, als ich plötzlich vor einem modernen Flachbau aus Glas und Stahl stand. ›Neues Raubtierhaus‹ las ich auf einem Messingschild am Eingang. Ich seufzte. Wohin ich auch ging, traf ich auf diese bepelzten Kollegen. Die Biester schienen mich an diesem Tag regelrecht zu verfolgen. Dennoch siegte meine Neugier. Geschürt wurde sie aber mehr durch die auffallende Form des Hauses als durch dessen vermeintliche Bewohner.
    Das Innere der Halle war in dämmrig-grünes Licht getaucht. Beißender Gestank nach Wildheit und Dschungel erfüllte die Luft. Ich hatte den halben Tag über in unmittelbarer Nähe der Katzen gearbeitet und mich dabei an ihre besondere Duftnote gewöhnt; hier im abgeschlossenen Innenraum des Hauses erhielten ihre Ausdünstungen allerdings eine fast mit Händen greifbare Intensität.
    Außer mir hatten sich noch drei weitere Zoobesucher in den Neubau verirrt; undeutlich erkannte ich ihre Umrisse am gegenüberliegenden Ende, nahe dem zweiten Ausgang. Leise Gesprächsfetzen und ein kurzes, scharfes Knurren hallten zu mir herüber. Sonst war es verhältnismäßig still. Den Grund dafür entdeckte ich schnell; nur jeder zweite oder dritte Käfig war belegt. Die leeren Betonnischen, in denen jeweils nur ein verkeilter Baumstamm die geometrische Strenge durchschnitt, ließen mich frösteln. Mir drängte sich sofort das Bild einer sterilen, entmenschlichten Todeszelle auf. Ich fragte mich, ob die Tiere nicht ähnlich empfanden. Offensichtlich lag die Fertigstellung des Baus erst wenige Tage zurück, so dass bisher noch nicht alle Großkatzen die Gelegenheit hatten, ein Urteil über ihr neues Domizil zu fällen.
    Der Anblick einer Tigerin mit ihren vier Jungen verdrängte für kurze Zeit meine morbiden Gedanken. Während das Muttertier auf einer erhöhten, steinernen Bank döste, tapste ihr Nachwuchs eine Etage tiefer unbeholfen aber neugierig in jeden nur erreichbaren Winkel. Die größte Attraktion für die Kleinen bot allerdings der herabbaumelnde Schwanz der Mutter; als habe er ein Eigenleben, pendelte er unregelmäßig in weiten Bögen von links nach rechts. Die Katzenbabies versammelten sich unter der pelzigen, gelben Schlange und versuchten sie durch lustig anzuschauende Sprünge mit Pfoten oder Zähnen zu fangen. Die Mutter ließ diese manchmal sicher nicht schmerzlose Prozedur in stoischer Gelassenheit über sich ergehen. Nur wenn es einer der wilden Racker gar zu weit trieb, stieß sie ein ermahnendes Grollen aus. Die Kleinen stoben dann vor Schreck jedes Mal in alle Richtungen auseinander, beobachteten aus sicherer Entfernung die Lage und trotteten schließlich zaghaft wieder an ihren Spielplatz zurück.
    Eine Tür fiel ins Schloss. Das metallische Klicken brach den Bann. Ich schaute auf und erkannte, dass ich mich nun fast allein im Raubtierhaus befand. Nur ein einzelner Besucher stand jetzt noch unbeweglich vor einem der Käfige. Die fröhliche Ausgelassenheit der Tierkinder, die sich auf mich zu übertragen begonnen hatte, war plötzlich verschwunden. Wieder erfasste mich eine unerklärliche Abneigung der Halle gegenüber; das Licht und die schrillen Geräusche verbargen etwas, was ich nicht zu sehen begehrte. Etwas Lauerndes. Etwas Böses.
    Langsam wandte ich mich dem anderen Ausgang zu; das Hallen meiner Schritte war lauter, als mir lieb war. Es durchbrach die Stille, ohne sie jedoch zu verdrängen. Eher noch betonte das Geräusch meiner

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