BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
Welt nicht mehr. Wo waren nur mein viel gerühmter Witz, meine unwiderstehliche Eloquenz geblieben; wie ein vertrottelter Bauerntölpel hatte ich mich aufgeführt.
Dieser Vorfall grub tiefe Wunden in mein Selbstwertgefühl. Meine gewohnt lockere Art (»Hey Girls, it's SHOWTIME again!«) erschien mir plötzlich aufgesetzt und mit meinem Wesen unvereinbar. Nur ein förmliches »Bitte Aufstellung, meine Damen!« klang in meinen Ohren erträglich.
Der Auslöser der Kamera ratterte mit der Kadenz eines Schnellfeuergewehrs, aber die Bilder, die der Film konservierte, waren nicht mehr wirklich meine Bilder. Etwas Entscheidendes hatte sich verändert. Die Aufnahmen wurden um eine Nuance uninspirierter, ärmer, glanzloser. Die kreative Verbindung ›Mensch - Maschine‹ war zerstört. Es gelang mir einfach nicht mehr, mit dem Objektiv zu denken. Meine Augen führten mit einem Mal ein beunruhigendes Eigenleben. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, strichen sie suchend über die Köpfe der Zuschauer, hielten Ausschau nach nur einer Person. Nach zwei dunklen Augen inmitten der Menge.
Anfangs meinte ich, meine Unbekannte noch als teilweise verdeckten Umriss zu erkennen, die Bewegungen innerhalb der kleinen Ansammlung verhinderten aber eine sichere Bestimmung. Ständig verließen einige der Schaulustigen ihren Platz, neue kamen hinzu. Als ich nach einer kurzen Bildfolge wieder in ihre Richtung spähte, war der schweigsame Engel verschwunden. An seiner Stelle machte sich nun ein schwitzender, glatzköpfiger Fettwanst in einem weitgeschnittenen, für seine Maße aber immer noch zu engen Hawaii-Hemd breit. Ständig wischte er mit einem Taschentuch über seinen schweißtriefenden Schädel.
BINGO! , rief ich mir innerlich zu. Mein unwiderstehlicher Charme hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ich drückte den Auslöser mit einer solchen Wut, als könnte ich dadurch tatsächlich tödliche Geschosse abfeuern. Jetzt, da es nahe der Mittagszeit war, lastete die feuchte, sonnenlose Hitze immer stärker auf Mensch und Tier. Die Katzen wurden nervös und reizbar, nicht selten fauchten sie nun den indirekten Blitz der Kamera grimmig an. Ein schwarzer Panther warf sich sogar wie wild gegen die Gitterstäbe. Seine gelbschwarzen Augen glühten wie brennende Lava. Geifer sprühte aus seinem weit aufgerissenen Maul bis auf den Laufsteg. Obwohl sie sich durch das massive Eisengitter in Sicherheit wussten, sprangen zwei der Mädchen kreischend vom Podest. In ihren Gesichtern war nicht nur Furcht, sondern auch Erschöpfung und Unwille zu lesen. Die warmen Kleider quälten sie bis an die Grenze des Erträglichen.
Ich litt in ähnlicher Weise; auch mir lag daran, die restlichen Aufnahmen so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Künstlerisch wertvolle Fotos waren bei der mittlerweile herrschenden angespannten Atmosphäre ohnehin illusorisch. Um mich und die Crew zu entlasten, ließ ich kurzerhand zwei noch geplante Serien wegfallen. Mir war egal, was Dreyer oder die ominöse PR-Meute davon halten mochten, für Thomas Trait war die Sache jedenfalls gelaufen.
Nachdem alle Utensilien wieder sorgfältig verstaut waren, drückte ich Phil die Wagenschlüssel in die Hand und bat ihn, ohne mich zurückzufahren.
»Schau' schon mal nach, ob sich auf den Filmen was Brauchbares findet«, wies ich ihn an. »Wir sehen sie uns heute Abend dann gemeinsam an. Ich brauch' erst mal einen Spaziergang durch den Park, vielleicht auch ein kleines Nickerchen auf einer schattigen Bank.«
»Geht klar; schau' dich nur in aller Ruhe um«, erwiderte Phil mit einem vielsagenden Grinsen, »vielleicht inspiriert dich ja das eine oder andere. An interessanten Dingen mangelt es hier ja wirklich nicht.«
Da ich mir nicht sicher war, ob dies eine Anspielung auf meine missglückte Rolle als Don Juan sein sollte, zeigte ich keine Reaktion. Ich verabschiedete mich, nicht ohne allerdings vorher noch allen meinen Dank für ihre Geduld und Ausdauer ausgesprochen zu haben. Mit Erleichterung sah ich den Kleinbus die schmale Teerstraße hinunter verschwinden.
Meine Gefühle waren widersprüchlicher Natur, als ich nun allein vor dem Leoparden-Gehege stand. Der Vormittag hatte mich ermüdet und ausgezehrt, für einen erfrischenden Schlaf fehlte mir jedoch die innere Ruhe. Zu tief hatte sich das Bild jener rätselhaften Frau in meinem Bewusstsein eingebrannt, zu sehr hatten mich ihr Schweigen und ihr finsterer Blick getroffen. Was konnte ich also tun? Unentschlossen blickte ich mich
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