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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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glich. Ihre Haltung wirkte seltsam steif, angespannt. Die Hand auf ihrer Schulter war nur geduldet, mehr nicht. Ihre Augen – wohl gegen die Sonne gerichtet – waren zu Schlitzen verengt. Auch sie trug einen Anzug mit vielen aufgesetzten Taschen und Stiefel. Von ihr hoben sich die beiden Araber in ihren fließenden, weißen Gewändern deutlich ab. Ihre sonnenverbrannten Gesichter wirkten gelöst. Still lächelten sie in die Kamera. Einer von ihnen hatte eine Spitzhacke vor sich in den Boden gerammt. Den Abschluss bildete ein Mann, dessen Gesichtszüge wieder europäisch anmuteten. Einen Fuß hatte er lässig auf einen Felsvorsprung gestemmt. Sein Oberkörper war leicht nach vorn geneigt; er stützte ihn mit seinem Unterarm auf dem gebeugten Knie ab. Er trug ein helles Hemd, dessen Ärmel bis über die Ellenbogen nach oben gekrempelt waren und ähnliche Drillichhosen und Stiefel wie das Paar. Nur war der Stoff seiner Hose dunkler und faltiger, seine Stiefel staubiger. In der rechten erhobenen Hand hielt er ein Gewehr. Lachfalten beherrschten sein Gesicht. Es sah aus, als rufe er dem Fotografen gerade etwas zu. (»Hey Charly, vergiss' nicht, den Deckel vom Objektiv zu nehmen!«)
    Ohne ersichtlichen Grund faszinierte mich der Anblick dieser fremden Menschen. Später erzählte mir Natascha, dass das Foto ihre Urgroßeltern zeigte. Sie sprach nur recht selten über ihre Herkunft; schließlich wusste sie selbst kaum mehr, als was sie in Tagebüchern, Briefen und Berichten ihrer Eltern gelesen hatte. Viele der hinterlassenen Fotos zeigten Menschen, von denen sie bis heute nicht sagen konnte, ob es Verwandte oder nur Fremde waren. Viele der zahlreichen Räume ihrer Wohnung waren angefüllt mit Erinnerungsstücken, die einst in irgendeiner Beziehung zu den ihr unbekannten Vorfahren gestanden hatten. Aber Gegenstände gaben keine Auskunft, sie wahrten ihr Geheimnis. Soweit ich von ihr erfuhr, stammte ihr Vater aus einer Familie, in der es seit Generationen nur zwei Berufe gegeben hatte: Offiziere und Archäologen. Der Aufenthalt in fremden Ländern bedingte auch, dass sich das Blut der Vorväter mit dem anderer Kontinente mischte. Ihren Namen hatte Natascha angeblich von einer russischen Großtante. Ihre Mutter war Ägypterin gewesen.
    »Ich bin wie Patchwork«, hatte sie mir einmal gesagt. »Aus zwei Dutzend Ländern und einem Dutzend Rassen zusammengesetzt.«
    Als ich nun halbnackt im Türrahmen lehnte und ihren schwarzen Haarschopf hinter all den Büchern hervorlugen sah, konnte ich noch nicht ahnen, wie auch Natascha der Tradition ihrer Familie in gewisser Weise treu geblieben war. Nicht aus purer Sentimentalität hatte sie die Wohnung mit antiken Fundstücken ihrer Eltern und anderer Vorfahren geschmückt; auch sie beschäftigte sich mit der Vergangenheit. Ihr Arbeitsgebiet waren alte Sprachen, besser gesagt alte Schriften.
    Wenn ihr ein Museum oder ein Wissenschaftler Kopien oder Abschriften von alten Pergament- oder Steinfragmenten zur Übersetzung zusandte, war sie jedes Mal so aufgeregt wie ein Entdecker, der soeben den finsteren Gang zu einer Grabkammer freigelegt hatte. Nie konnte man erahnen, was einen am Ende erwartete.
    Da ich sah, wie sehr Natascha in ihre Sache vertieft war, schlich ich mich dezent zurück. Ich würde das Bad auch alleine finden; mutig machte ich mich auf die Suche. Selbst bei Tageslicht wirkte der schmale Flur unheimlich; überall fühlte man sich von toten, leeren Augen beobachtet. Tot, und doch mit etwas erfüllt, was dem Leben sehr nahe kam. An einer Biegung verfing sich mein Bettlaken in den spitzen Ohren einer am Boden hockenden steinernen Katze. Vor Schreck wäre ich fast nackt weitergelaufen. Das Biest sah aus, als wollte es mich jeden Augenblick anspringen. Auf meinem Weg, auf dem ich auch an einigen leer stehenden Räumen vorbeikam, wurde mir erst deutlich, wie groß die Wohnung war. Sie musste annähernd das gesamte Stockwerk des Hauses umfassen. Natascha schien nur einen kleinen Teil davon in Beschlag genommen zu haben.
    Endlich fand ich die gesuchte Tür, umrahmt von zwei Zimmerpalmen, die in bauchige, rot-braun gemusterte Vasen gepflanzt waren. Im großen Wandspiegel des Badezimmers konnte ich mir den Grund für meinen brennenden Rücken näher betrachten. Was ich sah, durfte mich eigentlich nicht verwundern: Ein Gitter von Kratzern überzog meine Haut, meist vier parallele Furchen nebeneinander. Nataschas “Krallen“ hatten ganze Arbeit geleistet.
    Aber ich war süchtig

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