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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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ja, die meisten haben wohl irgendwelche
Schreibtischjobs, aber Sie verstehen, was ich meine. Unter ihnen ist auch ein
kleines Genie, das für den Ulster Tatler arbeitet, ein Magazin, das schon seit Jahrzehnten das
Gesellschaftsleben unserer sozialen Elite verfolgt. Nachdem ich das Interesse
dieses Mannes an dem Fall geweckt hatte, nahm er es auf sich, Berge von alten
Ausgaben durchzublättern, immer auf der Suche nach Mark Radek. Nichts davon war
archiviert, nichts digitalisiert und nichts online; er konnte den Namen nicht
einfach eintippen und eine Suchfunktion aktivieren, sondern musste jede
einzelne Ausgabe durchforsten. Und ich hatte ihm nur einen einzigen Hinweis
geben können, nämlich dass die unmittelbaren Nachkriegsjahre vermutlich die
interessantesten waren; Jahre, in denen der Mann, der behauptet, Mark Radek zu
sein, vermutlich hart darum gekämpft hat, einen Betrieb in unserem merkwürdigen
kleinen Land aufzubauen, wobei er Verbindungen geknüpft und sein Gesicht unter
den Etablierten und Einflussreichen bekannt gemacht haben muss. Vielleicht war
es damals einem Gesellschaftsfotografen gelungen, ohne sein Wissen ein Bild
von ihm zu schießen, oder er hatte sich bei einem arrangierten Gruppenfoto
nicht rechtzeitig verdrücken können, ohne aufzufallen. Und wissen Sie was?
Mein Zeitungsmann hat dieses Foto gefunden.« Ich klickte, die Titelseite des Magazins
erschien und darunter ein Foto aus dem redaktionellen Teil. »Ulster Tatler, Oktober 1950, Belfast Round
Table Christmas Dinner. Da haben wir ihn, Mark Smith, wie er sich jetzt nannte,
der Zweite von links, neben seiner wunderschönen Frau Anne - wenn es gestattet
ist, das zu sagen.«
    Ich nickte dem immer noch
erstaunlich gelassenen alten Mann zu. Auf dem Foto wirkte er noch dünner als
heute. Und auch sein schlecht sitzender Anzug möbelte seine hagere Gestalt
nicht gerade auf.
    »So kam ich in den Besitz
einer Aufnahme dieses Mannes. Und der Dank dafür gebührt meinem wunderbaren
Kunden, der heute Abend leider nicht bei uns sein kann, dessen Name aber, da
seien Sie versichert, bereits auf einem Büchergutschein prangt. Was war der
nächste Schritt? Nun, vielleicht sind Sie mir ja gedanklich bereits voraus,
aber ich begann zu grübeln: Wenn er nicht der wahre Mark Radek ist, wer ist er
dann? Ein anderer Gefangener? Aber warum sollte ein anderer Gefangener eine
falsche Identität annehmen? Vielleicht weil er etwas zu verbergen hatte?
Vielleicht war er ein Kapo gewesen, einer der Häftlinge, die von der SS
ausgewählt worden waren, um Ordnungsdienste im Lager zu versehen? Kapos hatten
keine Wahl gehabt, ob sie Befehle ausführten oder nicht, sonst wurden sie selbst
ermordet - aber sicher hatten einige von ihnen ihren Dienst mit mehr Eifer
versehen als andere. Und am Tag der Befreiung konnten sie sich nicht sicher
sein, dass sie nicht plötzlich selbst wieder zu gewöhnlichen Gefangenen
wurden, denn die Menschen, die sie gequält hatten, würden ganz gewiss Rache
üben wollen. Also hätte es auch für einen Häftling durchaus Gründe gegeben,
eine falsche Identität anzunehmen. Mein folgerichtiger nächster Schritt war, zu
recherchieren, ob der angebliche Mark Radek tatsächlich einer der gefürchteten
Kapos gewesen war, und ob er aufgrund seiner Taten womöglich als Kriegsverbrecher gelten konnte.
    Der einfachste und direkteste
Weg, das herauszufinden, bestand darin, sein Foto an einige echte Experten auf diesem Gebiet zu
schicken. Ich sandte es per E-Mail an das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los
Angeles. Innerhalb von zwei Tagen erhielt ich eine Antwort.« Erneut blickte ich
auf Mark Radek hinab. Eisiges Schweigen schlug mir entgegen. Seine Söhne
schwitzten und warfen heimliche Blicke in die Runde, besonders in Richtung von
Detective Robinson. »Man hatte dort absolut keine Idee, um wen es sich bei dem
Mann auf dem Foto handelte.« Ich ließ ihn schmoren.
    »Doch so schnell gab ich nicht
auf. Ich schickte das Foto an alle möglichen Institutionen. Und wissen Sie, wo
es am Ende landete? Wieder bei den Wiesenthals. Nur diesmal bei dem weniger
bekannten Bruder Erich, der sein eigenes Zentrum in Basel in der Schweiz
betreibt. Inzwischen ist er leider verstorben, aber seine Söhne führen den
gerechten Kampf fort. Sobald sie einen Blick auf das Foto geworfen hatten,
erklärten sie, dass sie diesen Kerl bereits seit sechzig Jahren suchten. Denn
er war alles andere als ein Kapo.«
    Man hätte eine Stecknadel
fallen hören können.
    »Natürlich wollten sie

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