Bateman, Colin
früh, die Läden standen offen, und draußen dämmerte es. Ich
hätte Alison am liebsten in ein handliches Bündel verschnürt, verkleinert und
mir an einer Kette um den Hals gehängt. So hätte ich sie, immer wenn ich einem
Bekannten oder einem Fremden begegnete, herausholen und erklären können: »Das
ist meine Freundin. Wir haben miteinander geschlafen und alles.« Woraufhin man
mir begeistert die Hand geschüttelt und mich gelobt hätte: »Gut gemacht, alter
Junge, eine Eins-a-Performance«, und ich hätte über alle vier Backen gestrahlt.
»Erzähl mir was über deine
Mutter«, forderte Alison mich auf, während sie meinen Arm streichelte.
»Nein.«
Sie zwickte mich leicht. »Sei
nicht so. Erzähl mir von deiner Mum.«
»Da gibt's nichts zu
erzählen.«
»Als du gekommen bist, hast du
gerufen: Danke,
Mutter.«
»Hab ich nicht. Was hast du denn gerufen, als du gekommen
bist?«
Über diesen Punkt hüllte sie
sich in Schweigen. Wegen meines Tinnitus war ich mir nicht ganz sicher, ob sie
überhaupt irgendetwas gerufen hatte. Nach einer Weile sagte sie: »Weißt du,
wenn ich bei dir zu Hause anrufe, geht sie nie ans Telefon.«
»Sie hat eine Aversion gegen
das Telefonieren.«
»Und die Male, wo ich in
deinem Haus gewesen bin, war sie nie da.«
»Sie ist da, sie will nur
nicht stören.«
»Weißt du, ich mag dich genau
so, wie du bist. Ich würde dich nicht ändern wollen. Normale hatte ich schon
zur Genüge.«
Ich ließ mir das eine Weile
durch den Kopf gehen.
»Wenn es irgendwas gibt, das
du mir über deine Mutter sagen möchtest, dann raus damit.«
»Es gibt nichts, was ich dir
über meine Mutter erzählen möchte«, erwiderte ich.
»Okay.« Sie küsste mich auf
die Stirn und fuhr fort, meinen Arm zu streicheln. Nach einer Weile schlummerte
ich ein. Ausnahmsweise hatte ich einen schönen Traum - übers Heiraten. Bei
unserer Hochzeit wären wir beide alleine auf dem Standesamt. Die Flitterwochen
würden natürlich ausfallen, aufgrund der damit verbundenen Reise. Stattdessen
würden wir durch Belfasts weniger muffige Antiquariate streifen und nach
seltenen Erstausgaben suchen oder online Comics für Alison ordern. Doch so wie
es aussah, blieb dafür wohl gar keine Zeit mehr: Wahrscheinlich wäre sie
bereits schwanger. Wir hatten keinerlei Vorkehrungen zur Verhütung getroffen.
Ich bin allergisch auf Latex. Und ich ging nicht davon aus, dass Alison die
Pille nahm, wie es so schön heißt. Das hätte auf ein beträchtliches Maß an
Voraussicht schließen lassen - oder auf eine äußerst laxe Moral. Allerdings,
wenn man es genau bedachte, war es gut möglich, dass es Teil eines sorgfältig
ausgeheckten Plans war, mich nach Banbridge zu locken; vielleicht hatte ihr
Interesse von Anfang an gar nicht darin bestanden, Fritz zu schnappen, sondern
mich um den Finger zu wickeln. Weder hatte sie Daniel bisher vor der Gefahr
gewarnt, in der er schwebte, noch hatte sie irgendwelche Maßnahmen zu seinem
Schutz getroffen. Das machte schon zwei Punkte, bei denen sie ihrer
Verantwortung für Verhütungsmaßnahmen nicht nachgekommen war.
Ich döste ein Weile, bevor
mich die Frage aufschreckte, ob sie vielleicht wirklich schwanger war und ob
unser ungeborenes Kind damit bereits Rechte am Kein Alibi besaß? Was, wenn ich
diese neunzig Sekunden zweifelhaften Vergnügens damit bezahlte, dass ich die
alleinige Kontrolle über mein Ein und Alles verlor? Was, wenn die beiden zusammenarbeiteten,
um mich bei der erstbesten Gelegenheit bis auf die Unterhosen auszuplündern?
Auf gar keinen Fall hatte ich
beim Sex den Namen meiner Mutter gerufen. Das war lediglich Teil einer
Intrige, um mich zu verwirren. Um mich an mir selbst zweifeln zu lassen. Ich
musste unbedingt permanent wachsam bleiben. Es gibt Verschwörungen dort draußen,
und die Kunst besteht darin, die echten von den durch Paranoia bedingten zu
unterscheiden. Ein Blick auf Gregory Peck mit seinem schwarz gefärbten Haar
und dem Hitler-Schnurrbart in The Boysfrom Brazil genügt, um jedem klarzumachen, dass er der
Schurke ist; das Geheimnis eines wirklich guten Thrillers liegt jedoch darin,
dass man bis zum Ende den besten Freund im Verdacht hat, ohne sich wirklich sicher sein zu
können.
Ich erwachte bei hellem
Tageslicht und mit einer weiteren Erektion.
Ich hegte die Befürchtung,
dieses Phänomen könnte zur Gewohnheit werden, aber ich bezwang es mit Willenskraft.
Diese Technik habe ich bis zur Perfektion getrieben. Mein Vater hat sie mir
beigebracht. Und
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