BattleTech 17: Natürliche Auslese
Tigress
D2342.221G
Vereinigtes Commonwealth
15. Juni 3055
Nelson Geist hielt trotz des Drangs, an dem Kragen um seinen Hals zu zerren, die Hände am Geländer des Laufbands. Die schwere Projektionsbrille vermittelte ihm den Eindruck, in einer realen Welt zu stehen, während ihm die Kopfhörer die Geräuschkulisse der künstlichen Realität lieferten. In der Kunstwelt erschien selbst das Geländer des Laufbands als der Rand einer Gehhilfe.
Nelson wußte, daß die Konstruktrealität nicht echt war. Die Grafik war zwar nahezu perfekt, aber gelegentlich hatte das Programm Schwierigkeiten, und das Bild wurde unscharf. Aber die Ästhetik der künstlichen Umgebung war für ihn nicht von Bedeutung. Außerdem war er sicher, daß die Rote Korsarin ihre Techniker angewiesen hatte, diese Anomalien einzubauen, um ihn abzulenken.
Die Schnelligkeit, mit der sie sich von ihren Verletzungen erholt hatte, überraschte ihn. Sie hatte viel früher die Simulatoren an Bord des Schiffes benutzt, um zu beweisen, daß sie wieder einen Mech führen konnte, als er es für möglich, geschweige denn für klug gehalten hätte. Kurz darauf hatte Bryan sie zu einem Kampf im Kreis der Gleichen herausgefordert, und sie hatte begeistert angenommen.
Nelson hatte den Kampf sehen dürfen. Als sie Bryan gegenüberstand, war ihm klargeworden, wie knapp sie auf Zhongshan dem Tod entkommen war. In einem ärmellosen grünen Bodysuit hatte sie sich Bryan zum unbewaffneten Zweikampf gestellt. Er war mindestens zehn Kilo schwerer als sie, aber ihre Geschwindigkeit und größere Reichweite gaben ihr den Vorteil, den sie brauchte.
Wie Nelson erwartet hatte, griff Bryan über die linke Seite an. Er trat nach ihrem Kopf, und sie mußte mit dem schwächeren Arm abblocken. Dann tauchte sie unter dem Tritt durch und traf Bryans Wade mit einem harten Schlag, der ihn zu Boden warf.
Bryan schnitt mit den Beinen durch die Luft, wo sie gerade noch gehockt hatte, aber sie war bereits im Sprung. Sie landete auf einem Bein, flog herum, ihr linker Fuß traf Brya n über dem linken Auge. Der wuchtige Tritt schleuderte ihn nach hinten.
Die Rote Korsarin brauchte etwa eine halbe Sekunde, um zu erkennen, daß Bryan benommen und praktisch kampfunfähig war. Sie stürzte sich auf ihn und hielt ihn auf dieselbe Weise am Boden, wie sie kaum zwei Wochen zuvor Nelson festgehalten hatte. Instinktiv versuchte Bryan, sie abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Sie warf Nelson einen Blick zu, als wollte sie sagen: »Das hättest du sein können«, dann gab sie Bryan mit der linken Hand den Gnadenstoß.
Falls er erwartet hatte, daß sie sich über ihren Sieg freuen würde, hatte die Rote Korsarin ihm diese Illusion schnell ausgetrieben. »Es ist deine Schuld, daß ich das machen mußte«, stellte sie fest, während zwei Banditen den bewußtlosen Bryan zur Krankenstation trugen.
»Und Sie haben Mitgefühl gezeigt, indem Sie ihn nicht töteten.« Nelson schenkte ihr ein Lächeln, das ihre Wut noch weiter anstacheln sollte.
»Das war eine rein praktische Überlegung. Bryan ist mein Stellvertreter und hat nur getan, was jeder andere verantwortungsbewußte Offizier an seiner Stelle auch getan hätte.« Sie packte seinen Overall und zog den Stoff mit der Faust bis unter sein Kinn. »Jetzt wird es Zeit, daß du erfährst, was du für den Rest deines Lebens tun wirst, Sklave.«
Sie hatte ihn zu einer Kabine neben der ihren geschleppt- Abgesehen von einem Laufband und ein paar Spinden war diese leer. Einen Augenblick lang hatte er sie für ihren privaten Übungsraum gehalten, obwohl sie ihr Training, zumindest soweit er davon wußte, immer in der Gemeinschaftsanlage auf Deck 12 absolvierte.
Sie hatte ihm Brille und Handschuhe angelegt und kleine Elektroden an Knien, Knöcheln, Ellbogen und Schultern befestigt. »So kann der Computer dich lokalisieren und feststellen, welche Haltung du einnimmst.«
Er drehte sich in Richtung ihrer Stimme. Durch die Brille hatte er das Gefühl, in einem formlosen grauen Nebel zu stehen. »Wozu?«
»Wozu?« Er hörte sie herzhaft lachen. »Weil du deine Pflichten kennenlernen sollst, Sklave. Ich habe entschieden, daß es Zeit für mich wird, Kinder zu bekommen, wenn ich von dieser Mission zurückkehre. Und du wirst dich um sie kümmern.« Ihre Hand legte sich auf sein Knie und strich langsam nach oben. »Vielleicht gestattete ich dir sogar, sie zu zeugen.«
Er zuckte zusammen, und sie lachte. »Vielleicht zwinge ich dich, sie zu zeugen.«
Die
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