BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
die Leichen stieg, feuerte er noch einen letzten Schuß auf den Mann ab, nur um sicherzugehen.
Er stürzte in ihr Zimmer und öffnete die Tür zum Flur. Ein kurzer Blick zeigte ihm, daß sich dort keine weiteren Agenten aufhielten. Er lief den Gang hinab zu Zimmer 827, wo er einmal kurz an die Tür klopfte. Ein grinsender Bursche winkte ihn herein. Der Attentäter trat ins Zimmer und wartete, bis der Bursche die Tür geschlossen und sich auf die Bettkante gesetzt hatte, bevor er ihn erledigte. Er schob ihm den Nadler unters Kinn und feuerte. Der Junge war sofort tot.
Sein Leichnam fiel aufs Bett. Der Attentäter drückte dem Burschen den Nadler in die Hand, damit auf der Waffe seine Fingerabdrücke auftauchten. Entsprechend den Instruktionen und kodierten Botschaften auf der Disk, die er Sergej Chou gegeben hatte, hatte dieser Bursche das Zielfernrohr der Tatwaffe justiert, das Magazin geladen und alles verstaut. Restspuren an seinem Körper und den Kleidern würden ihn als den Mörder identifizieren. Außerdem würde die Polizei einen Abschiedsbrief finden, wenn sie den Raum durchsuchte, in dem der Junge die Tat zugab. Dem Attentäter war egal, welches Motiv sich Chous Fälscher ausgedacht hatten. Wichtig war nur, daß der Knabe ein Opferlamm war, das man allgemein akzeptieren würde.
Aus dem Kleiderschrank des Zimmers holte er einen langen, schwarzen Regenmantel. Als er ihn überzog, spürte er deutlich das Gewicht des Messers im rechten Ärmel und der abgesägten Schrotflinte an seinem rechten Bein. Er schob die Hand durch die rechte Tasche und legte sie um den Pistolengriff der Waffe. In der linken Tasche lagen Patronen, aber er war sicher, sie nicht zu benötigen.
Im Badezimmer fand er den Plastikbeutel mit dem falschen Kinnund Schnauzbart. Natürlich hätte diese Verkleidung einen näheren Augenschein nicht überstanden, aber sie reichte aus, ihn auf den ersten Blick unkenntlich zu machen. Außerdem enthielt der Beutel eine Augenklappe, deren Gewebe ihm jedoch gestattete, unbemerkt hindurchzusehen. Die Form der Klappe ließ auch seine Seitensicht unbehindert. Er zog die Klappe über das linke Auge, das er beim Schießen ohnehin zukniff. Dann strich er sich das Haar mit Pomade nach hinten und legte sich mit dem vom Hotel gestellten Kamm einen Mittelscheitel zu, der ihn aussehen ließ wie ein in die große Stadt geschneiter Bauer aus einem Nest, irgendwo in den Feldern.
Den leeren Plastikbeutel spülte er die Toilette hinunter, den Kamm steckte er ein. Ein paar Haare, die im Kamm hängengeblieben waren, ließ er als Andenken für Victor zurück.
Der Attentäter blickte durch den Türspion und überzeugte sich davon, daß der Gang leer war. Er ließ die Tür einen Spalt offen stehen, als er das Zimmer verließ. Dann ging er den Korridor entlang zur Treppe und stieg eine Etage höher. Im neunten Stock rief er den Lift. Als sich die Türen mit einem diskreten Zischen geöffnet hatten, stieg er ein und fuhr hinab ins Erdgeschoß.
Er hatte gerade die Empfangshalle erreicht und war in den Gang zum Nordflügel eingebogen, als er in der Ferne Polizeisirenen heulen hörte. Er blieb kurz stehen, um festzustellen, ob sie näher kamen oder sich in Richtung von Ryans Residenz entfernten, aber das ließ sich nicht sagen. Er zuckte mit dem Kopf und ging weiter. Noch zwanzig Schritte bis zur Eingangshalle des Nordflügels und in die Freiheit.
Der Attentäter war überrascht, so weit gekommen zu sein. Wenn es einen Faktor gab, dem er das zu verdanken hatte, dann war es der allgemeine Niedergang des Lyranischen Commonwealth. Der Mann mit dem eisigen Blick war ohne Zweifel von Tharkad hierhergekommen. Die Einheimischen hatten sich bestimmt darüber geärgert, als er eingetroffen war und die Koordination der Operation übernommen hatte. Aber seit dem Anschlag auf Galen Cox hatte der Attentäter den Mann nicht mehr gesehen. Er mußte Solaris mit Katrina verlassen haben. Und ohne die ständige Überwachung waren seine Untergebenen lax geworden.
Die Halle war leer. Der Attentäter ging weiter, durch die Tür und hinaus auf die Düsseldorfer Straße. Sie war auf ihrer gesamten Länge mit orangefarbenen und weißen Fahnen geschmückt, während die Laternen auf der DeMien-Straße schwarze Banner trugen. Weiter südlich hingen grüne, golden-rosafarbene, silber-dunkelrot-hellrote und blauweiße Fahnen auf den Straßen – entsprechend den Streifen auf seinen Gewehrpatronen.
Der Attentäter ließ sich nichts anmerken, als er fünf
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