BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
hier, dann dort abzubiegen. Als das nichts nützte, drehte er sich um und starrte aus dem Fenster. Sollte Tsen sich selbst einen ziellosen Kurs durch die Straßen von Solaris City suchen.
Kai ließ sich vom Trubel der Stadt ablenken. Er wohnte jetzt seit drei Jahren hier, aber es schien immer noch, als hätte er sie nie wirklich zu Gesicht bekommen. Die grellen bunten Lichter verbargen die Armut nicht, sie schmückten sie nur. Die Legionen von Passanten – von Huren und Zuhältern über gaffende Touristen bis zu wutschnaubenden neopuritanischen Wildmonmissionaren – lieferten eine unwahrscheinliche Besetzung für die Dramen dieser Stadt. Die Bilder und der Lärm, durch die sein Wagen glitt, ließen alles wie Phantasiegebilde erscheinen.
Solaris ist ein Planet für Menschen, die mit der Wirklichkeit nicht fertig werden. Kai sank in die Lederpolster des Schwebers. Solaris ist ein Planet für Menschen, die sich weigern, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.
Ihm wurde klar, daß er die Heimfahrt nicht hinauszögerte, weil er nachdenken wollte, sondern weil er Angst hatte. Er mußte lachen. Hier saß er nun, Kai Allard-Liao, der Champion von Solaris, der Mann, der Clanner besiegt und Elementare im Zweikampf niedergerungen hatte – mit bebenden Knien und einem Stein im Magen.
Eine Frau, ein Kind – wer hätte das geahnt? Kai schüttelte den Kopf. Wie kann ich Angst davor haben, ihnen gegenüberzutreten? Milliarden Menschen besiegen diese Furcht jeden Tag.
»Bitte bring mich nach Hause, Tsen.«
»Ja, Mylord.« Tsen drehte das Steuer kurz nach rechts und glitt die Auffahrt zu Kais Haus hinauf. »Da wären wir.«
Kai sah auf. »So schnell hätte es nicht sein müssen, Tsen.« »Wenn Sie wollen, kann ich noch ein paarmal im Kreis fahren, Mylord.«
»Nein, ist schon gut. Ich steige aus.« Er stieß die Tür auf und kletterte aus dem Fond. Während Tsen den Schweber zur Garage ein Stück weiter die Straße hinunter fuhr, stieg Kai die Stufen zur Vordertür hinauf. Er suchte in der Hosentasche nach der Schlüsselkarte, aber Keith Smith öffnete von innen.
»Willkommen zu Hause, Kai.«
»Keith? Dich habe ich hier nicht erwartet.« Kai schüttelte seinem Freund die Hand. »Gibt es ein Problem?«
Der Computerexperte schüttete den Kopf. »Eigentlich nicht. Nachdem du das Büro verlassen hattest, um zu deinem Onkel zu fahren, ist ein ComStar-Vertreter mit der Nachricht eingetroffen, daß die Erlaubnis für den Besuch eines Jadefalken-Elementarsterns unter dem Befehl von Sterncolonel Taman Malthus auf Solaris VII vorliegt. Die Holodisk liegt auf deinem Schreibtisch. Die Erlaubnis ist auf Anfang März zurückdatiert.«
Kai lachte auf. »ComStar weiß, wie man sich den Rücken freihält.« Keith nickte. »Ich hätte da eine Frage.«
»Ja?«
»Wenn ich mir meine alten Kursprojektionen ansähe, sagen wir, die von Anfang März, würde ich dann ein Kommandostreckenmuster finden, das in der Nähe des Jadefalkenraums beginnt und im Dörfchen Joppo hier auf Solaris endet?«
Kai legte ihm die linke Hand auf die Schulter. »Ohne deine Arbeit hätte ich sie nicht hierherschaffen können. Ich hatte gehofft, die Erlaubnis würde rechtzeitig kommen, um ihnen zu gestatten, den Titelkampf in meiner Loge zu verfolgen, aber dafür arbeitet die Bürokratie zu langsam. Etwa zu der Zeit, als die Falken in Equatus eintrafen, wurde dem ComStar-Präzentor hier auf Solaris eine von mir aufgezeichnete Botschaft übermittelt, die ihm erklärte, wer sie waren und was sie taten. Die Erlaubnis ist erst eingetroffen, nachdem ich ComStar vor vollendete Tatsachen gestellt habe, und selbst das hat noch zwei Tage gedauert. Ich wollte dich nicht im dunkeln lassen, mein Freund, aber solange du nichts davon wußtest, konnte ComStar dich auch nicht dafür verantwortlich machen. Und da ich ein Beauftragter der Regierung von St. Ives bin und die Falken in ›diplomatischer‹ Mission unterwegs sind, kann ComStar sich zwar über mich ärgern, aber das ist auch so ziemlich alles.«
»Danke für den Schutz.« Keith schüttelte Kai noch einmal die Hand. »Ich muß jetzt gehen. Larry hat es tatsächlich geschafft, sich mit dem Modell zu verabreden, das er auf dem Empfang deines Onkels kennengelernt hat. Kristina und ich begleiten sie zur Eröffnung einer Kessler-Ausstellung in Schlesien, und ich bin schon spät dran.«
»Viel Vergnügen, Keith, und danke für alles, was du getan hast, um meinen Sohn zu retten.«
»Er ist ein hübscher Junge, Kai. Du hast
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