BattleTech 24: Auge um Auge
In seiner natürlichen Umgebung, dem Sitzungszimmer, ganz schön raubgierig, außerhalb aber harmlos.
So wäre er zumindest den meisten Augen erschienen. Cassies graublaue sahen ihn anders. Chefattentäter, dachte sie, während sie ihr Rad in eine den Fuß der Treppe flankierende Position wirbelte, wie man sie angewiesen hatte.
Trotz allem konnte sie nicht widerstehen, sich ein bißchen zu produzieren. Sie erreichte den ihr zugewiesenen Platz, blockierte ihr Vorderrad und warf ihr geringes Gewicht nach vorn über den Lenker, wodurch sich das dicke Hinterrad mit dem starken Profil vom Boden hob. Auf dem Vorderrad balancierend schwang sie um 180 Grad herum und ließ sich nur mit einem sachten Aufprallgeräusch von Gummi auf Asphalt wieder zurückfallen.
Sie warf einen Blick auf den nächststehenden blauen Burschen, der eine Armeslänge links von ihr stand. Sie konnte nicht sagen, ob seine Augen bei ihrem Kunststückchen auch nur gezuckt hatten. Er hätte genauso gut aus Beton gegossen sein können.
Ein paar ganz schön gedrillte Hurensöhne, dachte sie. Bei einer Parade.
Mal sehen, ob sie zerbrechen, wenn der Hammer runter kommt.
Ganz knapp vor dem Fuß der Treppe kam der Große Weiße des Kolonel zum Stehen. Der Katamaran kniete nieder wie ein dressierter Elefant, als hundert kobaltblaue Krieger das Gewehr präsentierten, die Waffen zum Salut herumwirbelten und sie dann gegen ihre rechte Schulter knallten. Zischend öffnete sich die Luke, und Kolonel Camacho kletterte heraus.
Am Fuß dieses Monsters blieb er einen Augenblick stehen, ein dunkelhäutiger, stämmiger Mann mit schütterem, graumeliertem schwarzem Haar, einem aschgrau gesprenkelten buschigen Schnurrbart und schweren Tränensäcken unter seinen seelenvollen braunen Augen. Ein Ranchero bis auf die Knochen, krummbeinig, mit einem Kugelbauch, der ihm über den Gürtel hing. Aber er strahlte Würde und ruhige, gelassene Stärke aus.
Dieser Eindruck war nur eine Schale, wie Cassie wußte. Wenn man ihn richtig anfaßte, würde sie völlig zerfallen und verwehen, als bestünde seine Aura der Stärke aus einer dünnen Ascheschicht. Er war einst stark gewesen, stark wie die vom Wind geformten Hochplateaus seiner Heimatwelt Galisteo. Aber die Stärke war ihm ausgesaugt worden.
Er ist unser Geist und unsere Seele, dachte sie. Schade nur, daß die Tigres uns auf Jeronimo das Herz herausgeschnitten haben.
Zwei Mechs kamen knapp hinter dem Großen Weißen, ihn zu beiden Seiten flankierend, zum Stehen.
Einer davon war Gabbys Dunkelfalke. Der andere, der sich etwas steif bewegte, war ein Atlas, der für diesen Anlaß ausgeliehen worden war. Er spie die Chefadjutantin des Kolonel aus, Leutenient-Kolonel Marisol Cabrera. La Dame Muerte wurde sie genannt: Lady Tod. Klein, drahtig, ihre Züge vom Alter gezeichnet, aber noch immer attraktiv, ihr kastanienbraunes Haar weiß gesträhnt. Sie war mechtauglich, steuerte derzeit aber nicht.
Ihm entstieg auch eine große, schlanke Gestalt mit einem Bauchansatz, der die Linien seiner makellosen Ausgehuniform, weiß mit kastanienbraunen Säumen, altgoldenem Kragen und Schaftstiefeln, störte. Das war Leutenient Gordon Baird – ›Gordo‹ -, der S2 des Regiments. Sein Gesicht war wettergegerbt, sein Haar silbern, und er sah teuflisch gut aus.
Sie traten vor und formierten sich um Don Carlos: Gabby an seiner rechten Schulter, Lady Tod zu seiner Linken – letztere warf Cassie hinter dem Rücken des Kolonel wegen der kleinen Show zuvor einen giftigen Blick zu -, Gordo Baird ragte hinter ihm auf. Als sich Don Carlos den Stufen näherte, folgten ihm die anderen dichtauf.
Am Fuße der breiten Treppe hielt Camacho an. »Ich bin Kolonel Carlos Camacho, Kommandant des Siebzehnten Aufklärungsbataillons, Patron der Hacienda Vado Ancho und Ritter von Galisteo.« Er kniete nieder. »Meine Leute und ich stehen Ihnen zu Diensten.«
Der fette Mann in der Robe strahlte noch breiter, was Cassie zuvor für unmöglich gehalten hätte. »Ich bin Chandrasekhar Kurita, Oberster Leitender Beamter von Hachiman Taro Enterprises«, sagte er mit sanfter, angenehmer Stimme. »Das ist der Mirza Peter Abdulsattah, mein Sicherheitschef.«
Der große Mann neben ihm nickte mit dem langen, schmalen Kopf. Seine Züge waren so asketisch gedehnt wie die seines Herrn rund, seine Nase erinnerte an den Schnabel eines Raubvogels, seine Augen waren dunkel und lagen unter schweren Lidern.
»Es ist mir ein großes Vergnügen«, sagte der Kurita, »Sie willkommen zu heißen,
Weitere Kostenlose Bücher