BattleTech 24: Auge um Auge
Da fangen Sie eher den Wind mit bloßen Händen.«
Draußen war die Sonne ein riesiger Ball aus geschmolzener Bronze, der kurz davor stand, in der unsichtbaren Shakudosee zu versinken. Ein Quasimodo schlenderte am Westrand des Komplexes entlang und sah im Schattenriß aus, als sei sein Kopf nachdenklich gesenkt. Diana Väsquez hatte ihre Schutzbefohlenen wieder nach drinnen gescheucht.
»Was belastet dich, Cass?« fragte Kali. Sie trat an die Seite des Durchgangs und lehnte sich mit den Schultern an eine Wand, die aussah, als bestünde sie aus Holzplanken. Ihr stets hilfreicher Verbindungsmann Preetam Masakawa hatte sie stolz darüber informiert, daß die Schlafräume und Nebengebäude im Sportplex aus Platten eines Kunststoffs bestanden, der in einer Abwasseraufbereitungsanlage in HTE-Besitz aus sterilisierten menschlichen Ausscheidungen hergestellt wurde. Ein weiterer Hinweis auf Hachiman Taros ungewöhnliches Interesse am Umweltschutz, von Onkel Chandys Einfallsreichtum ganz zu schweigen.
Wie alle ranghohen Offiziere des Siebzehnten hatte sich Lady K an Klagen über den Geruch gewöhnt. Preetam bestand darauf, daß es keinen Geruch gab. Kali hatte gerade beschlossen, alle bildeten sich den Geruch ein, aber dann und wann erwischte sie eine Nase voll von… nun, irgend etwas.
»Passiert das oft?« fragte Cassie.
Kali runzelte die Stirn, und plötzlich war sie Kommandantin einer Kompanie, der ein Untergebener eine unverschämte Frage gestellt hatte. Cassie bereitete sich auf den Anschiß vor. Siehst du? jubelte die spöttische Stimme in ihrem Kopf. Du hast dich ihr geöffnet, und sie wird dich wie Dreck behandeln. Einsam bedeutet sicher.
Statt dessen schüttelte der Kapitän die Steifheit ab und nickte. »Mehr und mehr. Der übliche Lagerkoller. Man kann nur eine gewisse Anzahl von Holospielen spielen, sich nur einige Male Tino Esposito ansehen, wie er sich das hübsche kleine Herz aus dem Leib singt, während die bösen Buben näher kommen, um ihn zu töten.«
»Ist es nur das?«
Lady K begann wieder zu beben, dann seufzte sie. »Gut, daß wir eine Familie sind«, sagte sie, »und du eine Kundschafterin mit so großer Reichweite und so geringer Wärmeentwicklung bist. Du würdest die hohen Tiere in den meisten Einheiten wahnsinnig machen.«
»Glaubst du etwa, du nicht?«
Kali lachte.
Langflügelige Nachtvögel umschwirrten sie und stießen klagendes Gekrächze aus, während sie sich an den Zwielichtschwärmen später Riedgrasmücken labten. In ein paar Wochen würde der erste Frost kommen, und die Insekten würden verschwinden.
»Es ist mehr als nur die übliche Langeweile«, gab Kali zu. »Wir hatten viel mehr Raufereien, und die Verluste werden schlimmer. Seit du uns die frohe Botschaft gebracht hast, daß die ISA an unserem Lieblingsonkel großes Interesse entwickelt, haben die Jungs und Mädels das Gefühl, wir säßen mittendrin im V-Ring und warteten darauf, daß der alte Ninyu den Hammer auf uns herabsausen läßt.«
Cassie starrte sie weiter an. Die Mundwinkel Lady Ks näherten sich langsam ihren Wangen, aber ihr Gesichtsausdruck war kein Lächeln.
»Sie könnten mir an dieser Stelle etwas Schonung gönnen, Leutenient.«
»Du hast dich in mein Leben gedrängt und mich gezwungen, diesen verdammten Bären anzunehmen. Vergiß die Schonung.«
Kali lachte humorlos. »In Ordnung. Yeah, Don Carlos ist in letzter Zeit noch tiefer als gewöhnlich in Melancholie versunken. Das Nichtstun läßt ihm viel Zeit, über Patsy nachzugrübeln. Die Leute beginnen sich zu fragen, ob er langsam durchdreht.«
»El patron hat immer noch mehr auf der Pfanne als jeder selbstsüchtige MechPilot im Regiment!« entgegnete Cassie hitzig.
»Süße, laß den Boten leben. Ich setze dich nur darüber ins Bild, was an der Heimatfront passiert ist, während du fort warst, um herumzuschnüffeln und – zuballern und mit gefallenen Mädchen zu handeln.«
»Entschuldigung«, sagte Cassie. »Es ist nur, daß Don Carlos so viel für uns getan hat. Nur er hat uns so weit gebracht.«
»Yeah«, sagte Kali, »und du kannst mich ruhig mit deinem Krötenstecher mit dem Wellenschliff aufspießen, wenn ich das sage, aber er wird uns nicht mehr viel weiter bringen, wenn er sich nicht gewaltig zusammenreißt.«
Cassie wandte sich ab. Unerwartete Tränen brannten in ihren Augen. Für sie war Don Carlos kein vorgesetzter Offizier, keine Autoritätsperson. Er war das einzige Element der Stabilität in einem Universum der Ungewißheit und des zerstörerischen
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