BattleTech 26: Robert Thurston - Ich bin Jadefalke
Oder nicht.«
»Das ist eine unannehmbare Haltung. Unsere Zahlen müssen stimmen.«
»Warum? Besonders, wenn ein Fehler überhaupt nicht auffällt?«
»Entdeckt man ihn, wirft das ein entsprechendes Licht auf unsere Einheit.«
»Na und? Was kümmern Krieger Zahlen?«
Ravill Pryde hatte ein paar Sekunden gebraucht, um sich zu sammeln. Dann war er um den Schreibtisch herum an ihren Platz gekommen. »Gibst du mir nicht recht, Diana, daß eine Fehlberechnung im Kampf zu einem größeren Fehler führen könnte, aus dem ein schwerer Verlust an Material oder Personal entsteht?«
»Natürlich. Aber solche Fehlberechnungen werden im Feld gemacht und korrigiert – über den Daumen -, nicht Wochen oder Monate vorher irgendwo in einem Büro. Und wenn man von drei Seiten angegriffen wird, hat man wenig Zeit, Daten abzurufen.«
»Was soll dieses Gerede über die Umstände eines Gefechts? Du bist jetzt Coregn. Du mußt dich über die Sorgen eines Kriegers erheben.«
»Lieber nicht. Ich werde immer eine Kriegerin bleiben. Ich habe mich nicht um den Posten der Coregn beworben.«
»Niemand bewirbt sich um den Posten eines Coregn. Er wird als Ehre zuerkannt.«
»Erkenne ihn von mir aus wieder ab. Aber ich werde mich nicht entschuldigen.«
»Freigeburt!«
»Stimmt. Na und?«
Abrupt hatte er ihr eine Ohrfeige versetzt. Ihre Wange hatte unter der Wucht des unerwarteten Schlages gebrannt. Sie war aufgestanden.
»Möchtest du die Sache im Kreis der Gleichen austragen?« hatte sie ruhig gefragt.
»Ich habe Ehrenduelle verboten. Und du scheinst zu vergessen, daß ein Ehrenduell nicht über Konflikte in der Ausübung der Pflicht ausgetragen werden kann.«
»Du hast mich geschlagen.«
»Wie es mein Recht als Kommandeur ist. Krieger müssen jede Art der Bestrafung akzeptieren, das weißt du. Außerdem ist es Sitte, daß freigeborene Krieger Ehrenduelle grundsätzlich zu meiden haben, selbst innerhalb ihrer Kaste. Setz dich hin und mach deine Arbeit, Freigeburt.«
Von diesem Moment an hatte Diana Rache geschworen.
Ravill Pryde hatte das Büro bereits verlassen, um die Mannschaftsunterkünfte zu inspizieren, als sie mit der Eingabe der Munitionslisten fertig wurde. Diana schloß die Datei und betrachtete das Inhaltsverzeichnis auf dem Schirm. Es gab eine Reihe von Dateien, an denen sie noch nicht gearbeitet hatte, und sie entschloß sich einmal nachzusehen, was sie enthielten. In einer Datei nach der anderen entdeckte sie die gleichen langweiligen Datenaufstellungen, die im Herzen aller Bürokratien schlummerten.
»Als könne man mit Zahlen Schlachten gewinnen«, murmelte sie. »Peng, du dreckiger Stravag. Du bist abgelegt – auf drei Dezimalstellen gerundet.«
In einem Unterverzeichnis namens »Sieg« fand sie, versteckt in einem Ordner ein weiteres Unterverzeichnis, und darin wieder, in einem anderen verborgenen Ordner versteckt, einen weiteren Ordner mit der Bezeichnung »Persönlich«.
Persönlich? dachte sie. Ich frage mich, was Ravill Pryde für so privat hält, daß er es auf der sechsten Unterebene versteckt.
Als sie den Ordner »Persönlich« zu öffnen versuchte, verlangte der Computer ein Kennwort. Zum erstenmal, seit sie Coregn geworden war, fühlte Diana Erregung.
Kennwort? Was für ein Kennwort würde ein arroganter Dummbeutel wie Ravill Pryde benutzen?
Der Möglichkeiten gab es viele, aber die Herausforderung dieses Rätsel zu lösen versprach, ihre Arbeit interessanter zu machen.
In den nächsten Stunden probierte Diana naheliegende Wörter wie Falke, Ironhold, Pryde, Ravill, Pflicht und zahlreiche andere aus. Als sie den Stern-Colonel schließlich zurückkehren hörte, brach sie ihre Versuche hastig ab und huschte mit über die Tastatur tanzenden Fingern durch das Labyrinth der Ordner zurück zu der Datei, an der sie ursprünglich gearbeitet hatte.
»Noch immer an den Munitionsdaten?« fragte Ravill Pryde freundlich.
»Da war ein Fehler.«
»Es freut mich, daß du jetzt mehr Sorgfalt auf die Daten verwendest.«
»Das ist meine Pflicht, Sterncolonel.«
Während der beiden nächsten Arbeitssitzungen rief Diana immer wieder den Ordner ›Persönlich‹ auf, sobald Ravill Pryde das Büro verließ. Alle Versuche, das Kennwort zu erraten, schlugen fehl, aber das störte Diana nicht, denn die Aufgabe ließ die Zeit wie im Fluge vergehen. Was sie an regulärer Arbeit zu tun hatte, erledigte sie so schnell wie möglich, um sich anschließend diesem Ordner widmen zu können.
Am dritten Tag wollte sie schon aufgeben. Ihre Finger ruhten
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