BattleTech 31: Im Herzen des Chaos
sie das ebenso standhaft abstreitet wie Timmy.«
Cassie konnte wegen des Dröhnens in ihren Ohren nichts mehr hören. Sie drehte sich um und floh den Flur hinunter, wobei sie fast einen alten Mann im Flanellmorgenmantel umrannte, der einen Tropf auf Rädern vor sich herschob.
22
Harns Farm
Provinz Nemedien, Towne
Mark Draconis, Vereinigtes Commonwealth
26. Februar 3058 '
»Wir alle haben schon einmal den Ausdruck gehört, ›die beste Re
gierung ist die, die am wenigsten regiert‹«, erzählte Vater Doktor Roberto ›Nenn mich Bob‹ Garcia den aufmerksamen Gesichtern, die im Eßzimmer des Bauernhauses versammelt waren. Der Raum wirkte heiter durch das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel. Das Mittwinterfest war zwar erst zwei Tage vorbei, doch der Himmel war klar und geradezu schmerzhaft blau.
Wie erwartet grinste seine Handvoll Towne-Studenten und nickte zustimmend mit dem Kopf. »Eines der größten Paradoxa politischer Geschichte«, fuhr er fort, »ist, daß die Regierung, die am meisten zu herrschen versucht, in Wirklichkeit am wenigsten herrscht.«
Das beruhigte die Gruppe und ließ sie erstaunte – und auch gespannte – Blicke austauschen. »Unsere Feinde wollen dem Planeten Towne ihre eigene Art von Ordnung aufzuzwingen«, sagte er. »Wir haben nicht die militärische Schlagkraft, um sie im offenen Kampf zu besiegen – noch nicht. Also müssen wir uns unregierbar machen. Das bedeutet, wir begegnen ihren Versuchen, Ordnung zu schaffen, mit Chaos, aus dem mit der Zeit unsere eigene Ordnung entstehen wird.«
Es war, als sei beim Sprechen in seinem Kopf ein Schalter umgelegt worden. Er hielt inne, schüttelte kurz den Kopf.
Es stimmt, dachte er. Sie sagen nie etwas mit nur einer Bedeutung. Und ich habe es erst erkannt, als ich das gerade eben gesagt habe.
Er wußte nicht mehr, welcher Botengang ihn an jenem Tag, etwa eine Woche vor dem Aufbruch des Siebzehnten nach Towne, in die HTE-Zitadelle geführt hatte. Er ging allein einen Korridor entlang, dessen Beleuchtung gleichzeitig strahlend und gedämpft war, als er der hochragenden Gestalt des Mirza Peter Abdulsattah begegnete.
Der Mirza grüßte ihn mit nur einem Wort: »Ishq.«
Das Wort bedeutete Liebe. Es erfüllte Vater Doktor Bob Garcia mit einer merkwürdigen, entrückenden Erregung, die rituelle Antwort zu geben: »Baraka, ya Shahin.« Was in etwa bedeutete »Segen, o König.«
Dies war die alte Codesequenz, an der Sufis einander erkannten.
»Wie haben Sie mich erkannt?« fragte er den Mirza. Er konnte dem Blick des höhergewachsenen Mannes nicht standhalten.
Abdulsattah kicherte leise und trocken. »Ich las Ihr baraka.« Außer ›Segen‹ konnte das Wort auch noch Heiligkeit, Mana und zahllose andere Dinge bedeuten, die Garcia, da war er sich sicher, in Lichtjahren noch nicht begreifen würde.
»Es ist zweifellos klein und bleich, Lehrer«, sagte er.
»Sie haben sicher noch einen weiten Weg bis zur Vollkommenheit vor sich. Aber auch wer im Dunkeln unterwegs ist, ist unterwegs.«
Garcia seufzte. So etwas hatte er von einem Derwischadepten erwartet. Er hatte den Weg weit genug beschritten, um mit so etwas zu rechnen.
Während seiner Studien am von la Compania de Jesus auf Galisteo betriebenen Lyzeum wurde das Interesse des jungen Roberto Garcia an den Sufis geweckt. Sie wurden üblicherweise als moslemische Mystiker eingeordnet – und doch leugneten sie, auf der Suche nach einer objektiven Realität zu sein, was gemeinhin als Kennzeichen des Mystizismus verstanden wurde. Und zu ihren Weisen gehörten zwar Männer wie etwa El-Ghazali, der in der Geschichte als Autorität des Islam bekannt war, doch sie stritten jede Verbindung mit einer formellen Religion ab. Altariqa, der Weg, stand Männern und Frauen aller Religionen offen. Oder keiner.
Die Gesellschaft lehrte diese Tatsache zwar nicht aktiv, doch der junge Garcia hatte in seinem Forscherdrang schon lange herausgefunden, daß der Gründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, viele seiner Lehrmethoden und Argumente bei Hasan Sabah entlehnt hatte, dem Alten vom Berge, der die Hashishin gegründet hatte, die ursprünglichen Assassinen – Argumente, die der von Jesuiten ausgebildete Rene Descartes seinerseits als die seinen auszugeben versuchen würde, als er im siebzehnten Jahrhundert seine eigene Philisophie vorstellte. Sabah war zwar kein Sufi, wohl aber sein enger Freund Omar Khayyam.
Im einunddreißigsten Jahrhundert verfolgte die Gesellschaft Jesu zwar keine offizielle Politik den
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