BattleTech 31: Im Herzen des Chaos
kletterte sie aufs Eis.
»Wenn es wirklich so einfach ist, einen BattleMech zu zerstören«, fragte Ninyu Kerai Indrahar, »warum macht es dann nicht jeder?«
Cassie funkelte ihn an. Sie hockte auf einem schwarzen Ledersofa in dem bescheiden eingerichteten Büro in einem Teil des Palastes, der noch intakt war. Sie hatte sich in eine Decke gewickelt und hielt einen Becher dampfend heißen Tees mit einem Schuß Hotel Black Label Whiskey mit beiden Händen umklammert; der Whiskey trug bei Einheimischen die liebevolle Bezeichnung Alter Stock mit Sack, bei den Caballeros hieß er nur Kalter Schock im Sack. Die Mischung war einzigartig widerlich, aber sie wärmte.
»Zum einen«, sagte sie, »war es gar nicht so einfach.«
Ein Schauder durchfuhr ihren schlanken Körper. Ihr noch immer nasses Haar war zurückgekämmt, ihr normalerweise brauner Teint war zur Farbe alten Elfenbeins verblaßt, und am ganzen Körper hatte sie Gänsehaut. Sie war noch immer kurz vor dem Ende des Adrenalinstoßes, der sie durch den Kampf getragen hatte, aber ihre Stimmung begann zu flackern wie ein Raumjäger mit ausgefallenen Rückstoßdüsen, der zu bremsen versuchte, indem er ständig in die Atmosphäre eintrat und wieder hinaussprang. Wie dieser Jäger hoffte sie, im Gleitflug eine kontrollierte Landung hinlegen zu können, aber sie wußte, daß sie höchstwahrscheinlich demnächst ins Trudeln geraten und abstürzen würde.
Das Überfallkommando von Blakes Word war neutralisiert und weitgehend vernichtet worden. Es war von einem Landungsschiff in den Randbezirken Masamoris abgesetzt worden und bestand aus zwei Stufe-II-Mech-Einheiten, die einer Kompanie der Inneren Sphäre entsprachen, und einem Trupp Infanterie. Eine Stufe II hatte den Palast angegriffen, die andere den Komplex. Einige Angehörige des Kommandounternehmens hatten sich in der Stadt verteilt und Ablenkungsmanöver begonnen. Sie wurden jetzt vom Zivilen Führungscorps, der Polizei Masamoris, zur Strecke gebracht. Der Rest hatte Lastwagen gefahren und war den BattleMechs zum Palast vorausgeeilt.
Die Blakies hatten einen tödlichen Rechenfehler gemacht. Sie hatten zwar richtig angenommen, daß sie die Verteidiger der Stadt beim Feiern erwischen würden, waren sich aber nicht darüber klar gewesen, wie schnell die Neunte Geisterlegion und das Siebzehnte auf die Bedrohung reagieren würden. Außerdem hatten sie nicht mit Oberleutenient Cassiopeia Suthorn gerechnet. Aber sie war in jedermanns Spiel eine unbekannte Größe.
Cassie erschauerte wieder und schluckte etwas Tee. »Leute zu Fuß könnten Mechs häufiger zu Fall bringen, wenn sie es versuchten. Aber jeder ist von den großen Metallmonstern so eingeschüchtert, daß niemand sich traut. Man geht einfach davon aus, daß ein BattleMech unverwundbar ist, wenn man nicht selbst in einem sitzt.«
Sie sah Ninyu von der Seite an. »Du hast deinen Teil getan. Ich hörte, du hättest auch schon ein oder zwei Mechs zu Fall gebracht, ohne selbst einen Blechmann zu reiten.«
Aus einem Reflex heraus runzelte er die Stirn, wie er da so über ihr stand. Er ersetzte den Gesichtsausdruck wieder durch seine normale Miene. Daß er im frühen Erwachsenenalter des Koordinators ein Kamerad Theodores gewesen war, war kein Staatsgeheimnis. Seine eigenen Errungenschaften zu jener Zeit auch nicht – zumindest nicht alle.
»Ich erkenne deine Tapferkeit an«, sagte er. Eine zornige Röte zeichnete seine rechte Wange, und wenn man genau hinsah, konnte man sehen, daß sein enganliegendes schwarzes Gewand hier und da dunkle Flecken aufwies, aber im großen und ganzen hatte er den Abend bemerkenswert unbeschadet überstanden. »Ebenso deinen Einfallsreichtum und dein Geschick. Nur wenige Männer hätten tun können, was du getan hast. Und nur wenige wären so tollkühn gewesen, es zu versuchen.«
Da zerbrach etwas in Cassie. Sie stellte fest, daß sie plötzlich auf den Beinen war, sich an den rothaarigen Mann in Schwarz klammerte und unkontrolliert schluchzte, als alles über sie hereinbrach: der Schock, als sie sah, wie Percy niedergeschossen wurde, das verrückte Klettern über ein vereistes Dach, das knappe Entkommen aus dem todgeweihten Kampftitan. Was sie getan hatte, war Wahnsinn, und doch hatte sie keine andere Möglichkeit gesehen.
Vielleicht faßte das ihr gesamtes Leben zusammen, seit jenem Tag auf Larsha, als ein Mech ihre Kindheit zerstört hatte.
Zuerst stand Ninyu Kerai da wie ein Holzbrett, unnachgiebig. Steif hob er eine Hand an ihren
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