BattleTech 31: Im Herzen des Chaos
Zielpunkte in der Dämmerung, als Kugeln zu beiden Seiten des Motorradfahrers in den Asphalt einschlugen. Der Fahrer legte seine schwere Maschine auf die linke Seite.
Cassie hielt inne. Ihr unwillkürliches erleichtertes Seufzen blieb ihr im Hals stecken. Der Fahrer in Schwarz gab sein Motorrad nicht auf. Statt dessen blieb er darauf sitzen, während es inmitten eines Funkenregens dahinschlitterte und direkt zwischen den Beinen des Heuschreck ankam. Als er unter dem Mech hindurchrauschte, feuerte er beide Läufe des Werfers direkt nach oben ab.
Eine doppelte Explosion zertrümmerte den rechten Hüftaktivator des kleinen Mechs. Er fiel nach rechts vorn und riß einen Teil des drei Meter hohen Maschendrahtzauns um, als er zusammenbrach.
Der Fahrer ließ den abgefeuerten Werfer fallen, stieß sich kraftvoll mit einem in schwarzes Leder gehüllten Bein ab und nutzte den Schwung seines Motorrads, um es wieder aufzurichten. Es beschrieb einen Vollkreis und richtete die Räder wieder nach vorn. Die HIM wackelte zweimal und rauschte dann mit höhnischem Aufheulen des Motors davon.
Einen Augenblick lang standen Cassie und alle anderen in Sichtweite einfach nur mit weit aufgerissenen Mündern da. Das Motorrad fuhr auf der Straße der Weisheit der Sterne landeinwärts davon, so weit nach links geneigt, daß das Knie des Fahrers über den Boden schleifte, und verschwand.
Mit einem befreiten, wilden Schrei stürmte die Menge voran. Sie würde die hilflosen Sicherheitskräfte einfach überrennen. Sie würde die Tore niederreißen und den Komplex stürmen. Sie könnte sogar auf die Idee kommen zu versuchen, El Pipiribau – der wahrscheinlich durch seinen Sturz betäubt, aber unverletzt war – aus seinem Mech zu zerren.
Und dann würden sie in großer Menge sterben. Die anderen Adelante-Mechs, die diskret außer Sichtweite auf dem Gelände der Turanischen Transportgesellschaft stationiert waren, würden eingreifen. Jetzt, wo schwere Geschütze aufgefahren worden waren – und einer der ihren gefallen war –, würde jegliche Zurückhaltung hinweggefegt.
»Adelante, hier Abtacha, bitte melden, Ende«, rief Cassie verzweifelt in ihren Taschenkom. Die weißbehelmten Sicherheitskräfte und ihr kahlköpfiger CEO standen mit dem Rücken zum Tor und erwarteten ihren Tod. Hinter ihnen konnte Cassie das runde, transpexverkleidete ›Gesicht‹ von Macho Alvarados Kampftitan drohend hinund herwiegen sehen, als der große Mech auf den Zaun zuwankte. Ein Feuerfalke, dessen Brustund Bauchpanzer ein schönes Airbrushgemälde zierte, das aber in dem Nieselregen, der zu fallen begonnen hatte, nur als unklarer Schimmer zu sehen war, schwebte auf seinen Pitban-Sprungdüsen hoch über dem Komplex.
Das war unzweifelhaft U-Leutenient Jesse James Leyva, Rufzeichen ›Gesetzloser‹.
»Pommes Frites, Raven, Macho, Gesetzloser – bitte melde sich doch jemand«, drängte Cassie.
Was sie ihnen sagen sollte, wenn sie sich meldeten, wußte sie nicht so genau. Wenn ihr Blut nicht vor Furcht und Zorn gekocht hätte – la familia ist in Gefahr! –, hätte Cassie die kaltblütige Perfektion des Hinterhalts bewundert. Dank des kühnen, geheimnisvollen Fahrers standen die Caballeros kurz davor, mehrere hundert genau der Leute zu massakrieren, die zu retten sie gekommen waren. Innerhalb weniger Herzschläge würde eine Aufgabe, die sich schon als fast hoffnungslos erwiesen hatte – Townes Verteidigungsmechanismen auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten –, für immer unmöglich werden. Und statt Verbündete zu gewinnen, müßten die Mitglieder des Siebzehnten Aufklärungsregiments vielleicht feststellen, daß ein ganzer Planet nach ihrem Blut gierte.
Mit einem Knurren aus vielen Kehlen schob sich die Menge voran. Cassie zog den Kurzlauf aus der Tasche und bereitete sich vor, sie in die Luft abzufeuern – alles, um den Krampf zu lösen, die bevorstehende Katastrophe abzuwenden. Es würde natürlich nicht funktionieren.
Das Tor öffnete sich. Eine kleine, schlanke Gestalt trat heraus. Ehe die Reihe der Wachen reagieren konnte, war sie an ihnen vorbeigeschlüpft und ging auf den vorrückenden Mob zu, wobei sie ein Megaphon an die Lippen hob. Schwarzes Haar, in dem Feuchtigkeit glitzerte, hing ihr auf die Schultern und umrahmte ein perfektes, herzförmiges Gesicht.
»Gesetzloser, Pommes Frites, Raven, hört mich denn niemand«, drängte Cassie. »Nicht schießen. Es ist Diana.«
Der springende Feuerfalke von ›Gesetzloser‹ Leyva, der wohl eine
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