BattleTech 35: Höhenflug
Stall aneinandergeraten war. Er stand vier Meter entfernt, die Fäuste in die Seite gestemmt, und starrte sie mit offenem Abscheu an. Haß? wunderte sich Sam.
»Schlechter Tag, Sammy?« fragte er und legte alles an Verachtung in die Frage, zu dem er fähig war. »Mußt du zu deinem süßen Fremdweltler-Daddy rennen und dich an seiner Schulter ausweinen? O ja, ich bin sicher, du und der Rätselmann, ihr habt viel zu bereden, nicht wahr?«
Einen Augenblick lang starrte Sam ihn nur an - entgeistert, verwirrt. Die Intensität der Feindseligkeit in seiner Stimme, sein ganzes Auftreten - nicht nur ihr gegenüber, sondern auch Mandelbaum, erkannte sie - war... nun, unpassend. Seine Haltung schien allmählich keinerlei Bezug mehr zur Wirklichkeit zu haben. Was, zur Hölle, habe ich dir je getan - hat er dir je getan -, das eine derartige Reaktion verdient hätte? regte sie sich auf.
»Was ist? Hat dir ein Skavel die Zunge abgebissen, Sammy?«
Sam stemmte ebenfalls die Hände in die Seiten, und ihre rechte Hand strich unbeabsichtigt über die Pistole an ihrem Gürtel.
Clays Augen verengten sich, als er zu der Waffe hinunterblickte. »Oh, oh«, rief er in gespieltem Schreck, »oh, wird Sammy mich jetzt erschießen?« Er lachte böse. »Blöde Kuh«, spie er. »Du kommst auch noch dran.« Und damit drehte er sich um und marschierte davon.
Samantha sah ihm nach, bis er in den sich ausbreitenden Schatten verschwunden war. Warum, zum Teufel, hat Jonas Clay es dermaßen auf mich abgesehen - und auf Mandelbaum? wunderte sie sich. Oder ist das einfach seine Art, und er haßt grundsätzlich die ganze Welt? Sie hatte schon Menschen getroffen, auf die das zutraf... Und sich sehr angestrengt, ihnen aus dem Weg zu gehen, als sie erst einmal erkannt hatte, was mit ihnen los war.
»Genießt du den Sonnenuntergang?« Wieder eine Stimme in ihrem Rücken.
Sie drehte sich um - langsamer diesmal - und schenkte Silver ein halbes Lächeln. »Mehr oder weniger«, antwortete sie und entschied sich sofort, ihre Begegnung mit Clay nicht zu erwähnen.
»Du hattest einen guten Tag, hab ich gehört.« Der MechKrieger grinste wie ein Bandit.
»Mehr oder weniger«, wiederholte sie.
Silver schnaubte verächtlich. »Spar dir die falsche Bescheidenheit, okay? Die BüchsenTechs haben mir erzählt, wie die Simulationen gelaufen sind. Ich habe sie noch nie so beeindruckt gesehen. Besonders nach dem letzten Szenario.«
Sam zuckte ein wenig unbehaglich die Schultern. »Ich bin gehörig zerschlagen worden«, stellte sie fest.
Er lachte. »Du kapierst es einfach nicht, was? Du hast verfreckt gewonnen, Dooley. Es war nicht vorgesehen, daß du gewinnst. Dieses Szenario - vier gegen einen? Das ist eine Verlierersituation, okay? Zumindest ist es so gedacht«, korrigierte er hastig. »Die Lektion, die du lernen solltest, war, eine Übermacht zu erkennen und deinen verfreckenkreckten Arsch zu retten, bevor du mit deinem Schlitten zu Schlacke geschossen wirst! Und was machst du?« Er prustete. »Du hast denen den Arsch versohlt, Dooley.« Er röhrte vor Lachen. »Hältst du dich denn nie an die Regeln?«
Unerwartet kehrten ihre Gedanken zur letzten Sitzung im F-16-Simulator in Edwards zurück. Sie zuckte die Achseln und versuchte, ein unbeschwertes Bild zu liefern. »Ich mag Herausforderungen«, stellte sie leichthin fest.
Silver schlug ihr auf die Schulter. »Du hast es drauf, Dooley. Das muß ich sagen.« Er machte eine Pause, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. »Hast du zwei Minuten Zeit?« fragte er. »Ich möchte dir was zeigen.«
Samantha stand im grellen Licht der Hangarscheinwerfer - in einem Hangar, den sie noch nie vorher betreten hatte - und starrte empor. Über ihr ragte ein BattleMech empor, sein polierter Rumpf funkelte in spiegelglattem Silber statt in den manchmal schreienden Bemalungen der übrigen Stallmechs. Das Zeichen einer neuen Einheit, frisch vom Fließband, erkannte sie. Deshalb steht er wohl auch nicht im selben Hangarkomplex wie die anderen BattleMechs. Sie streckte die Hand nach dem gewaltigen Bein aus - zögerte, bevor sie sich überwinden konnte, das kalte Metall zu berühren.
Sie drehte sich zu Silver um, auf dessen Gesicht ein breites Lächeln stand. »Meiner?«
Er nickte. »Ich hab dir gesagt, Ende der Woche trittst du live an«, erinnerte er sie. Er zuckte die Achseln. »Es ist Ende der Woche.«
Sam schüttelte langsam den Kopf. Das war... einfach zu groß, um es zu fassen. Sie strich mit den Fingerspitzen vorsichtig über die
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