BattleTech 36: Blindpartie
an diesem Schreibtisch gefallen. Wie so manches in seinem Leben erfüllten viele der Dinge in diesem Zimmer mehr als eine Aufgabe. Er erinnerte den capellanischen Kanzler daran, sich sowohl vor Äußerlichkeiten als auch vor Beschaulichkeit zu hüten, und daran, daß jeder Sieg verteidigt werden mußte.
Die Erinnerung, die ihn so spät abends hierher in sein Büro getrieben hatte, stand mit jenem Gedanken in Verbindung. Obwohl die Konföderation Capella einige der Systeme zurückerobert hatte, die Haus Davion im Vierten Nachfolgekrieg besetzte, befand sich der größere Teil noch immer als mehr oder weniger unabhängige Welten im Bereich der sogenannten Chaos-Marken. Manche von ihnen zögerten, eine Rückkehr unter die Herrschaft Haus Liaos zu akzeptieren, während die verhaßte Souveränität Sarna eine Bedrohung innerhalb der eigenen Grenzen darstellte. Sun-Tzu mußte zugeben, daß er einfach nicht über die militärische Stärke verfügte, diese Systeme zurückzuerobern und zu halten. Noch nicht.
Mit einem fast hörbaren Knacken in seinen Gedanken fiel ein weiteres Stück des Puzzles an seinen Platz. Ja, dachte er und nickte. Es könnte alles bestens zusammenpassen.
Die alte Erinnerung war die an seine Mutter Romana, die vor ihm über zwanzig Jahre die Konföderation Capella regiert hatte. Sun-Tzu war noch ein Kind gewesen - sieben Jahre alt, vielleicht acht -, als er seine Mutter in einem Besprechungszimmer gesehen hatte, wo sie Holovids der Invasion des Jahres 3030 betrachtete. Er hatte zu dieser Zeit bereits gelernt, sie zu meiden, wenn sie beschäftigt war, weil sie ohne Vorwarnung durch eine Kleinigkeit in blindwütige Raserei getrieben werden konnte. Aber sie hatte ihn bemerkt und zu sich gerufen. Auf ihrem Schoß, Romanos starke Arme fest um seinen Leib geschlungen, hatten SunTzus Gedanken zwischen der Angst vor dem, was seine Mutter ihm antun könnte, und der Faszination angesichts der vor ihm ablaufenden Kriegsbilder geschwankt.
Damals hatte er sie nicht wirklich verstanden, aber heute war es anders. 3030 hatte das Herzogtum Andurien sich von der Liga Freier Welten abgespalten. In dem Glauben, die Konföderation sei durch Maximilian Liaos Wahnsinn geschwächt, hatten die Andurianer sich mit dem Magistrat Canopus in der Peripherie verbündet und waren in die Konföderation eingefallen. Romano Liao hatte das Capellanische Heer gegen sie in die Schlacht geführt und sie, getrieben von ihrer fanatischen Hingabe für den Staat und den Haß auf alles, was ihn bedrohte, bis 3035 völlig zurückgeschlagen.
Damals hatte Romano dem Sohn auf ihrem Schoß einige tapfere Verteidigungsanstrengungen der Invasoren gezeigt, zum Teil noch, als ihre Niederlage bereits besiegelt war. »Dermaßen desorganisierte Staaten hatten nie eine Hoffnung zu gewinnen, aber welchen Mut
.sie im Sterben beweisen!«, hatte sie fast bewundernd festgestellt. »Wenn es nur möglich wäre, sie zu kontrollieren und gegen unsere Feinde zu schicken.«
Sun-Tzu hatte weder diesen seltenen Moment der Vertrautheit vergessen noch den Gedanken seiner Mutter, daß eines Tages ein Peripheriestaat das Gleichgewicht der Macht in Händen halten konnte. Wilde Bestien konnten sich, selbst wenn sie gebrochen und an die Leine gelegt waren, gegen ihren Herren wenden. Aber wenn sie richtig behandelt und auf die richtige Beute gehetzt wurden, war es möglich, sie teilweise zu zähmen.
Sun-Tzu sah auf den Schirm, der jetzt eine Karte der Konföderation Capella zeigte. Ein paar Berührungen der Sensoroberfläche, und die Karte wurde um das Tauruskonkordat und das Magistrat Canopus erweitert, die beiden Peripheriestaaten an der randwärtigen Grenze der Konföderation. Das gemeinsame Hoheitsgebiet der beiden Peripheriestaaten war fast anderthalbmal so groß wie sein eigenes. Sie erinnerten an den Kopf eines Hammers, mit seiner Konföderation Capella als Griff, um ihn zu schwingen.
Aber wie sollte er das anfangen? Die politischen Beziehungen zum Tauruskonkordat ließen sich bestenfalls als eisig beschreiben, und Sun-Tzus Botschafter auf Canopus IV war erst kürzlich wegen seines arroganten Auftretens Magestrix Emma Centrella selbst gegenüber ausgewiesen worden. Dadurch bot die Diplomatie im Augenblick wenig Möglichkeiten.
Bis er sich an Berichte über die beständigen Aggressionen der Marianischen Hegemonie gegen das Magistrat Canopus erinnerte. Dadurch war Canopus in einer Lage, in der es Hilfe benötigte. Außerdem war das Magistrat der Peripheriestaat, der
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