BattleTech 36: Blindpartie
war er Thronerbe des St. Ives-Paktes und seit kurzem Anführer der Bewegung Freies Capella. Er führte sie mehr wie einen Wohlfahrtsverband denn als eine Widerstandsbewegung, aber Sun-Tzu war sich der Machtbasis, die sie seinem Vetter lieferte, nur allzu bewußt. Ganz abgesehen von der Rückendeckung Kais durch Victor Davion, den Prinzen des Vereinigten Commonwealth. Auch wenn der gute Victor derzeit mehr als genug zu tun hatte, angesichts der Zustände in den Chaos-Marken und seiner Schwester Katrina, die sich mit dem halben Reich abgesetzt hatte.
Was den St. Ives-Pakt anging, einen zwischen der Konföderation Capella und dem sehr viel größeren Vereinigten Commonwealth gelegenen Kleinstaat - oder vielleicht war inzwischen die alte Bezeichnung Vereinigte Sonnen passender, denn auf deren früheres Territorium war Victor Davions Reich inzwischen effektiv zusammengeschrumpft -, so hatte diese Region des Weltraums ursprünglich den Capellanern gehört. Heute betrachtete Sun-Tzu ihn als einen Dolch in seinem Rücken, denn Victor Davion konnte seine Truppen durch das Paktgebiet schicken und vor Sian stehen, bevor er irgend etwas davon erfuhr.
Daß er seinen kleinen Kampffisch Kai getauft hatte, war nicht als Verächtlichmachung seines Vetters gedacht, obwohl diese Wirkung ein nicht unerfreulicher Nebeneffekt war. Vielmehr sollte es Sun-Tzu an die gefährliche Ähnlichkeit der beiden erinnern. Kai war ein tödlicher Krieger, der sich in politischen wie militärischen Kreisen mit beneidenswerter Leichtigkeit zu bewegen wußte. Und die großen, starren Augen des Fisches ermahnten Sun-Tzu, daß Kai jede seiner Bewegungen auf dem Himmlischen Thron im Auge behielt.
Sun-Tzus Lächeln verblaßte. Er richtete sich auf und ging mit wenigen, ruhigen Schritten zum Schreibtisch. Noch immer nahm er nicht dahinter Platz. Statt dessen wanderte er langsam um ihn herum und fuhr dabei mit einem seiner langen Fingernägel über die Rosenholzverzierung. Der antiquierte Monitor, der den Schreibtisch früher beherrscht hatte, war verschwunden, ersetzt durch einen eben in die Platte eingelassenen Schirm. Momentan zeigte der Schirm eine Raumkarte des Draconis-Kombinats, aber dieses Bild würde bald dem eines anderen der Großen Häuser Platz machen, bis er nach einem Durchlauf aller fünf Nachfolgerstaaten eine Gesamtkarte der Inneren Sphäre anzeigte. Die Holzoberfläche rund um den Bildschirm war gewachst und auf Spiegelglanz poliert. Sun-Tzu hatte es selbst so angeordnet, als passendes Monument der Vergangenheit. Dies war Justin Xiang Allards Schreibtisch gewesen, und dieser Raum Justin Allards Büro.
Am Tag seiner Thronbesteigung hatte Sun-Tzu geschworen, das Büro zerstören zu lassen. Zuviel Verrat war von hier aus gegen Haus Liao verübt worden. Justin Allard hatte von diesem Raum aus, damals unter dem Namen Justin Xiang, die militärischen Anstrengungen der Konföderation sabotiert - und dafür gesorgt, daß sie im Vierten Nachfolgekrieg nahezu schutzlos den Angriffen Haus Davions ausgesetzt wurde. Mehr als hundert bewohnte Systeme waren an Hanse Davion und das neugegründete Vereinigte Commonwealth verlorengegangen, fast die Hälfte des LiaoRaums. Allard war zusammen mit Candace Liao die Flucht gelungen, und beide waren später im frisch abgespaltenen St. Ives-Pakt wiederaufgetaucht. Sun-Tzu war damals noch nicht geboren gewesen, aber er erinnerte sich an die Erzählungen seiner Mutter darüber, was jener Krieg aus Maximilian Liao gemacht hatte, ihrem Vater und seinem Großvater. Allards Verrat hatte den alten Liao in einen schwachsinnigen Sabbergreis verwandelt, in den Schatten des Mannes, der über ein Milliardenvolk geherrscht hatte.
Noch eine alte Erinnerung.
Aber Sun-Tzu hatte seine Meinung geändert. Statt das Büro zu vernichten, hatte er es für seinen Gebrauch renovieren lassen. Er würde sich sein Handeln nicht von Aberglauben bestimmen lassen. Von diesem Schreibtisch aus hatte er vor kaum einem Jahr die Offensive mitkoordiniert, die der Konföderation Capella viele der im Vierten Nachfolgekrieg verlorenen Welten zurückgebracht hatte, zuzüglich mehrerer Dutzend anderer unter capellanischem Einfluß, den er weiter auszubauen plante. Er wäre möglicherweise noch weiter gegangen, hätte Thomas Marik sich nicht geweigert, den Krieg fortzusetzen, nachdem er seine eigenen Ziele erreicht hatte, aber Sun-Tzu war klug genug, zu wissen, wann er aufhören mußte. Auch die Entscheidung, Thomas' Waffenstillstand zu unterstützen, war
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