BattleTech 39: Heimatwelten
gestattet, sich oder seine Nation zu entehren. Er kannte mich. Er wußte, was ich tun würde. Er wußte, daß er mir vertrauen konnte, niemals etwas zu tun, was Schande über mein Haus bringen würde. Mein Vater erkannte die Weisheit seines Vaters und verzichtete darauf, sein früheres Verbot wieder in Kraft zu setzen, nachdem er den Drachenthron bestiegen hatte.«
Mit der vom Reispapier geschützten Rechten ergriff Omi die Klinge des Tanto. Drei Zentimeter des Stahls blieben frei. Während sie weitersprach, hob sie die Schneide an ihre Kehle. »Die Schande, die ich fühle, die Entehrung, die mir ein Weiterleben unmöglich macht, ist die Erkenntnis, daß ich euch auf eine mir nicht bewußte Weise den Eindruck vermittelt habe, meine Person über die Nation zu stellen. Daß es euch möglich ist, das von mir zu denken, weist auf einen Fehler in meinem Charakter hin. Ich kann diesen Fehler offenbar nicht korrigieren, denn wäre dies möglich, warum sollten dann Attentäter hierhergeschickt werden, um mich umzubringen? Ich habe immer versucht, Stärke zu zeigen und eure Hoffnungen, Träume, Wünsche und Ehre zu repräsentieren. Ich habe versagt. Für dieses Versagen gibt es nur eine Sühne.«
Victor sah Omis Hand unmerklich zittern, als die Klinge sich ihrer Kehle näherte. Während sie den Dolch für den tödlichen Schnitt bereithielt, zog er das Katana aus der Scheide. Er schloß die linke Hand um den Griff und hob das Schwert mit der Rechten über den Kopf. Seine Aufgabe bestand darin, blitzschnell zuzuschlagen und sie mit einem Hieb zu köpfen, bevor die Schmerzen der zerschnittenen Kehle sich auf ihrem Gesicht zeigen konnten.
Millimeter um Millimeter näherte sich der Tanto ihrer Haut. Victor wartete. Sein linker Arm schien schwer wie Blei. Die Schmerzen in seiner Brust breiteten sich aus wie ein Krebs. Das Zittern ihrer Hand, als die Schneide ihre Haut berührte und kaum sichtbar eindrückte, spiegelte sich im Zittern seines Schwertes wider.
Plötzlich sah er, wie ihre Hand ruhig wurde, und erkannte ihren Entschluß, den Seppuku durchzuführen. Innerlich schrie er laut heraus, daß es Wahnsinn war, aber auch er stählte sich und bereitete sich vor, seine Pflicht zu tun. Meine Pflicht ist es, ihr Gnade zu erweisen. Trotz seiner Verletzungen und seiner Schwäche würde er schnell, hart und sauber zuschlagen. Es würde ihm das Herz zerreißen, aber er würde sie nicht im Stich lassen.
»Iie!«
Theodores Zwischenruf von der Türe ließ Victors Kopf herumfliegen. Die Einmischung des Koordinators kam keineswegs überraschend, im Gegenteil, sie war vorgesehen. Doch Victor hatte sie früher erwartet. Erst als Theodore durch den Garten herankam und sein fester Schritt den Kies militärisch knirschen ließ, wurde Victor klar, daß er und Omi sich von dem Drama hatten einfangen lassen. Sie waren bereit gewesen, ihre Rolle bis zum Äußersten zu spielen. Zu Beginn haben wir noch eine Rolle gespielt, aber zum Schluß lebten wir sie. Theodore hätte uns jederzeit stoppen können, aber er hat gewartet, bis nicht einmal wir selbst noch an der Ehrlichkeit unseres Entschlusses zweifeln konnten.
Theodore hob die Linke und senkte Victors Schwert. Er drehte sich um und zog den Tanto aus Omis Hand, die nur das reinweiße Seidenpapier zurückbehielt. Der Koordinator untersuchte die Klinge des kleinen Dolchs, dann schleuderte er ihn angewidert zu Boden. Der Tanto traf das Lacktischchen, warf die Sakekaraffe um und ließ die Trinkschale auf den Boden stürzen.
»Ich bin der Drache, und ich verbiete dir für vierundzwanzig Stunden, Seppuku zu begehen.« Er winkte Omis Proteste mit einer Bewegung der Rechten ab. »Die Schande, deretwegen du dich umbringen willst, ist nicht die deine. Diese Schande, die Bereitschaft, das Schlimmste von dir und von Victor-sama anzunehmen, ist eine Schande, die nur von kleingeistigen Menschen zu tragen ist, die sich einer Vergangenheit verschrieben haben, die unwiederbringlich ist.« Theodore breitete die Arme aus. »Schon der Tag, den sie gewählt haben, dich anzugreifen, beweist dies. Wer unter uns könnte die Anwesenheit der Clans an diesem Tag vergessen? Es ist der Tag, an dem Luthiens Flüsse und Bäche rot strömten vom Blut loyaler Söhne und Töchter des Kombinats. Es ist der Tag, an dem Söldner, gesandt von Hanse Davion, ihr Blut vergossen, um uns bei der Rettung Luthiens zu Hilfe zu kommen. Es ist der Tag, der den Wendepunkt der Claninvasion darstellte. Es ist der Tag, an dem wir bewiesen
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