BattleTech 44: Falke im Aufwind
geglaubt hatte. Wie es bei besonders zähen Kriegern häufig der Fall war, hatte Sinclair mehr Schaden einstecken müssen, als er austeilte. Im Aufeinandertreffen von Wagemut und Können zählte letztendlich nur der Siegtreffer, gleichgültig, wie unterlegen ein Krieger bis dahin erschienen war, gleichgültig, wie hirnverbrannt und stupide eine Strategie gewesen war. Hengst stellte allerdings fest, daß der Torso der Sturmkrähe reichlich Panzerung verloren hatte. Gut. Das bot sich als Ziel an.
Ein Blick auf den Sekundärmonitor ließ dann jedoch Zweifel aufkommen, ob der Mech seines Gegners tatsächlich den größeren Schaden erlitten hatte. Der rechte Arm der Nemesis reagierte schwerfällig. Die Ladung der Laser war minimal. Der leichte Laser war bei einem Glückstreffer Sinclairs abgerissen worden. Er hatte noch über die Hälfte seiner Kurzstreckenraketen übrig. Zusammen mit der Autokanone hatten sich die KSR als besonders effektiv bei der Zertrümmerung der Torsopanzerung der Sturmkrähe erwiesen. Sinclair war trotz der schweren Torsoschäden ein wenig besser dran. Seine Raketenlafette verfügte über mehr Munition, und seine Laser stellten immer noch eine Bedrohung für Hengst dar.
Na, hier herumzustehen und mich vom Fluß zu Schrott hämmern zu lassen oder abzuwarten, bis Sinclair wieder auf Schußweite heran ist, sind keine sonderlich guten Strategien. Ich muß ans Ufer.
Die Entscheidung zu treffen und sie umzusetzen, waren allerdings zwei Paar Schuhe. Er hob ein Bein zu einem Schritt in Richtung Ufer, und der Mechfuß versank in unerwartet tiefem Wasser. Die Nemesis kippte nach vorne und wäre fast umgestürzt, aber Hengst schaffte es, das Gleichgewicht wiederzugewinnen und den rechten Fuß herumzuschwingen. Diesmal fand er einen Halt und konnte den Mech stabilisieren. Schritt um Schritt arbeitete er sich an die Uferböschung heran und wurde schneller. Sinclair war nähergekommen, aber jetzt war er ebenfalls auf dem Weg ans Ufer. Eine gute Taktik. Es schien erfolgversprechender, vom sicheren Land aus zu feuern als aus dem Fluß, wo die Stromschnellen den Mech hin und her schleuderten.
Zu Anfang machte der sehr weiche und allem Anschein nach tiefe Schlamm des Ufers Hengsts Mech Probleme, aber er paßte seine Bewegungen an dieses neue Hindernis an und konnte sich schnell aus dem Uferschlamm befreien. Kurz darauf stand er auf sicherem Boden und drehte sich zu Sinclair um.
Seltsamerweise kamen Sinclair und dessen Sturmkrähe nicht auf ihn zu. Der Vipern-Sterncolonel führte seinen Mech in einem weiten Bogen um Hengst herum. Er bremste erst ab und richtete den Mech auf Hengsts Maschine aus, nachdem er an dessen Nemesis vorbei war.
Hengst drehte seinen Stahlkoloß schwerfällig in Richtung seines Gegners aus und entdeckte eine Überraschung hinter dem Vipern-Krieger. Sinclair und dessen Sturmkrähe standen knapp außerhalb eines kleinen Dorfes. Ein schneller Seitenblick auf den Kartenschirm informierte Hengst, daß es sich um Westnarbe handelte. Obwohl es sich als tödlicher Fehler erweisen konnte, ein Duell wie dieses zu unterbrechen, rief er Sinclair über Funk an.
Als der Sterncolonel sich meldete, war seine Stimme kühl und emotionslos, und sie zeigte keinerlei Anzeichen von Ermüdung. Es war erschreckend zu hören, daß sein Gegner nach diesem langen, erbitterten Kampf nicht einmal außer Atem war. Hengst hörte seine Stimme immer wieder von schweren Atemzügen unterbrochen werden, die er nur mühsam unter Kontrolle bringen konnte.
»Ich beantrage eine Neupositionierung unserer Mechs, Sterncolonel Ivan Sinclair. Es befindet sich ein Dorf in der Schußlinie. Wir sollten keine Zivilisten gefährden.«
Die Arroganz in Sinclairs Stimme war erschrekkend. Selbst für einen ClanKrieger. Selbst für einen Stahlvipern-Krieger. Vipern-Krieger waren bekannt für ihre Überheblichkeit, die spürbar über die anderer Clan-Wahrgeborener hinausging, und Ivan Sinclair klang, als habe er die Form geliefert, in der sie gegossen wurden.
»Mein Gegner sorgt sich um den Tod von ein paar Unbeteiligten, frapos?«
In keinem einzigen Wortwechsel bisher hatte Sinclair Hengst mit Namen oder auch nur Rang angesprochen. Er beschimpfte ihn nicht einmal als Freigeburt. In einem seltsamen Schauspiel von ClanHöflichkeit benutzte er grundsätzlich Ausdrücke ›wie mein Gegner‹ oder ›Mit-Krieger‹.
»Pos. Wer täte das nicht?«
»Ich zum Beispiel täte es nicht. Ich würde es natürlich nicht absichtlich darauf anlegen, Unbeteiligte
Weitere Kostenlose Bücher