BattleTech 44: Falke im Aufwind
Gewöhnlich war der berühmte Gierfalkenmarkt ein kleines, alltägliches Ereignis. Handwerker stellten ihre Waren aus, und die Besucher wurden von der hohen Qualität der Angebote angelockt. Aber durch die Serie von Blutnamenskämpfen, die derzeit in der Stadt abgehalten wurden, hatten sich neue Händler dazugesellt, deren Waren zum Teil nicht dem Standard dieses Markts entsprachen. Das hatte zu einer Reihe unbeholfener Handgemenge unter den Händlern geführt, bei denen in aller Regel einer der Daueranbieter auf einen Eindringling losging und versuchte, dessen minderwertige Waren zu zerschlagen. Die neuen Händler hatten daraufhin Leibwächter zu ihrem Schutz mitgebracht. Manche Stimmen vermuteten, daß diese Leibwächter aus der Banditenkaste stammten, denn sie machten sich gerne unsichtbar, sobald eine Autoritätsperson den Markt betrat.
Peri wußte davon nicht viel, als sie ein dünnes Kopftuch befingerte, das ein Händler über den Rand seines Stands gehängt hatte. Es hatte kein nennenswertes Muster, war aber dicht gewebt, und es fiel schwer zu erkennen, wo die Fäden einer Farbe in die eines leicht veränderten Farbtons übergingen. Der Händler kam herüber, um sie in ein Verkaufsgespräch zu verwickeln, aber sie ließ das Tuch los und ging schnell weiter. Sie hatte nicht wirklich vor, irgend etwas zu kaufen, aber es gefiel ihr, über den Markt zu schlendern. Die Atmosphäre schien entspannend, und sie hatte Spaß daran, die Farben, Klänge und Gerüche auf sich wirken zu lassen.
Sie hielt an einem Stand an, der Holzmöbel in altertümlichem, historisierendem Stil enthielt. Eine ganze Weile untersuchte sie einen Schreibtisch aus Eichenholz, den sie gerne in ihrem Büro gesehen hätte, wenn sie eines gehabt hätte. Aber Etienne Balzacs Feindseligkeit und die Tendenz der Wissenschaftlerkaste, ihre widerspenstigen und vielleicht sogar rebellischen Mitglieder in Hinterwäldlerprojekten zu isolieren, boten ihr keinen Anlaß, selbst ein so hervorragendes Stück anzuschaffen. Und es ging das Gerücht, daß Balzac sie zu ihrem nächsten Auftrag wieder irgendwohin weit weg von Ironhold versetzen wollte. Außerdem war der Schreibtisch für sie ohnehin zu teuer. Die vor Jahrhunderten von Terra importierten Eichen waren auf Clanwelten ausgesprochen selten.
Um eine Debatte mit dem Händler zu vermeiden, schaute sie aus dem dunklen Innenraum des überdachten Möbelstands hinaus ins Tageslicht. Nachdem sich ihre Augen blinzelnd an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah sie eine Gestalt, die ihr entfernt vertraut schien. Sie trat einen Schritt näher an den Ausgang des Standes und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
Es war ihre Tochter, Diana, die sich die Auslagen eines Standes mit antiken Waffen ansah.
Peri hatte gewußt, daß Diana auf Ironhold war und sich um das Pryde-Blutrecht bewarb, hatte aber entschieden, sie nicht abzulenken, indem sie sich bemerkbar machte. Sie erinnerte sich noch gut an das schreiende Baby Diana mit seinem verkniffenen Gesicht, und später an das schlaue, wißbegierige kleine Mädchen, für das Peri ein Leben als Wissenschaftlerin geplant hatte. Aber statt dessen waren die Eigenschaften Aidan Prydes, ihres Vaters, in den Vordergrund getreten. Trotzdem war Peri als Dianas Mutter stolz darauf, was ihre Tochter erreicht hatte, auch wenn ihre wahrgeborene Herkunft sie daran hinderte, tiefe Muttergefühle zu entwickeln. Dianas Heldentum in der Schlacht war eine Widerspiegelung des Heldentums ihres Vaters.
Peri bewunderte den Wagemut ihrer Tochter und freute sich, daß eine so gute Kriegerin aus ihr geworden war, aber die Vorstellung einer Freigeborenen, die einen Blutnamen errang, bereitete ihr Unbehagen. Peris Gefühle zu diesem Punkt waren zwiespältig. Sie vertrat nicht den Standpunkt, daß Diana an diesem Wettbewerb teilnehmen sollte, hoffte aber zugleich auf ihren Sieg.
Für den Fall, daß ihre Verwirrung irgendwie eine Auswirkung auf Diana haben und sie vielleicht verletzen konnte, hielt Peri es für besser, sie nicht zu sehen, bis die Kämpfe vorbei waren. Sie blieb in der Dunkelheit des Marktstands, bis Diana weitergegangen war, nachdem sie mit dem Händler geschickt um ein Messer mit Elfenbeingriff gefeilscht hatte.
Wie lange war es her, daß sie irgendeinen Kontakt zu Diana gehabt hatte? Im Lauf der Jahre hatten sie einander geschrieben, aber die Texte waren so kalt und gefühllos ausgefallen wie die Bildschirme, auf denen sie angezeigt wurden. Diana hatte gut ausgesehen
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