BattleTech 44: Falke im Aufwind
einer Solahma-Einheit auf den Heimatwelten versetzt zu werden, aber mit jedem Tag fern der Frontlinien wuchs ihr Unbehagen. Besonders, seit Ravill Pryde hier auf Ironhold und jetzt auch noch Oberhaupt Haus Prydes war. Er wollte Joanna aus seiner Einheit, der Falkengarde, ausschließen, und machte daraus keineswegs ein Geheimnis. Wäre sie nicht in der zweiten Schlacht um Twycross zur Heldin geworden, hätte er sie längst zurückversetzen lassen und in irgendeine schändliche Hilfstätigkeit abgeschoben.
»So, das war es dann«, erklärte Ravill plötzlich, und Joanna erkannte, daß sie das ganze Ende des Gestampfes verpaßt hatte. Einer der Krieger, der Verlierer, wurde auf einer Bahre weggetragen. Soweit Joanna es sehen konnte, war sein Bein schwer verletzt. Eine klaffende Wunde gab den Blick in sein Innenleben frei, und Joanna konnte den Gedanken nicht unterdrücken, wie häßlich dieser Anblick im Vergleich zum Inneren eines Mechbeins war, in dem man schlimmstenfalls eine Masse zerfetzter Myomerfasern sah.
»Was meinst du dazu, Joanna?«
»Ein klägliches Schauspiel, der Jadefalken nicht würdig.«
Ravill nickte. »Ganz meiner Meinung. Ich hoffe, von jetzt an Besseres zu sehen.«
Joanna fragte sich, ob das sorgfältig geplante Eugenikprogramm der Clans möglicherweise irgendwie zu immer schwächeren Kriegergenerationen geführt hatte. Ravill Pryde, durch seine Mischung von Jadefalken- und Wolf-Genen eine Art Mutant, was Jadefalken-Wahrgeborene betraf, war tapfer genug für einen Krieger, aber er schien auf eine Weise, die sie nie wirklich hatte definieren können, verdorben. Etwas an ihm war definitiv anders. Und doch schienen die meisten anderen das nicht wahrzunehmen. Sie fragte sich, ob die guten Krieger immer noch so selten waren wie eh und je. Warum sah sie so wenig Aidan Prydes und so viele Ravills?
Vor ein paar Jahren hatte der Chef der Clanwache, Kael Pershaw, sie auf eine Mission gesandt, um Genverbrechen aufzuklären, denen seine Geheimagenten auf die Spur gekommen waren. Dabei hatte sie lange währende Verfälschungen des Genmaterials der Jadefalken durch die Wissenschaftlerkaste aufgedeckt, zum Teil sogar durch die Kombination von Genen verschiedener Kasten.
Als sie jetzt über dieses Problem nachdachte, entschied sie, daß zu viele Krieger in den kostspieligen und vernichtenden Schlachten während der Invasion der Inneren Sphäre gefallen waren. Die Reihen waren einfach zu stark gelichtet. Die genetischen Verfälschungen waren dagegen ohne Bedeutung.
Nur der Mangel an fähigen Kriegern hatte es Diana ermöglicht, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Aus Joannas Sicht war die momentane Situation ein Trauerspiel. Wäre sie in ihren Blutrechtstagen auf derartige Konkurrenz getroffen, hätten sie sich ihren Blutnamen geholt, ohne ins Schwitzen zu geraten. Joanna verdiente einen Blutnamen, das wußte niemand besser als sie selbst.
Vergiß den Blutnamen. Das einzige, was jetzt zählt, ist, Kriegerin zu bleiben und aufs Schlachtfeld zurückzukehren. Und ich werde meine Chance bekommen, wenn die Invasion wieder aufgenommen wird.
Ravill Pryde ließ sich über irgend etwas aus. Joanna hatte nicht zugehört. »Ich muß gehen und dem Sieger des Gestampfes gratulieren. Seine Leistung war so kümmerlich, daß mir die Worte im Halse steckenbleiben werden.«
Das Hausoberhaupt marschierte auf einmal davon. Kaum war er verschwunden, erschien Hengst an ihrer Seite.
»Interessante Gerüchte«, meinte er.
»Ja?«
»Es heißt, Marthe Pryde spielt auf Strana Metschty Simulationen der Invasion der Inneren Sphäre durch, Manöver, die darauf angelegt sind, die Fehler beim ersten Überfall zu vermeiden. Soweit ich hörte, soll sie dabei gnadenlos sein und die Truppen so scheuchen, wie wir es bei Diana tun. Samantha Clees muß jeden Augenblick zurückgerufen werden.«
»Ich werde sie nicht vermissen.« Joanna wollte nur weg von diesem Ort und Diana zwingen, über sich selbst hinauszuwachsen, nachdem das Blutrecht jetzt endlich begonnen hatte. Sie brauchte die neue Invasion.
Wenn nicht bald etwas Großes geschah, mußte sie mit einem neuen Versuch rechnen, sie auszumustern oder zu einer Solahma-Einheit abzuschieben. Sie hatte nicht vor, jemals Solahma zu werden. Sie wollte an der Front in Flammen untergehen. »Diana tritt morgen an«, stellte sie fest. »Wir haben noch einen halben Tag, ihr das Leben zur Hölle zu machen.«
16
Gierfalkenmarkt, Ironhold City, Ironhold Kerensky-Sternhaufen, Clan-Raum
27. Februar 3060
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