Battletech 46: Die Natur des Kriegers
Mit seinem Feldzug quer durch die Konföderation hatte Kai ihnen Erleichterung gebracht. Sun-Tzus Verlust der sicheren Grenze zur Liga Freier Welten war eine noch größere Hilfe gewesen, weil er Truppen hatte abziehen müssen, um die gegenspinwärtige Grenze der Konföderation zu sichern. Und die Pakttruppen kämpften inzwischen mit fanatischer Entschlossenheit, forderten Vergeltung in Form capellanischer Leben. Aber in der logistischen und Nachschubstruktur der Paktstreitkräfte wurden die Bruchstellen immer deutlicher, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie sich auf die Leistungen an der Front auswirkten.
Die letzte noch so geringe Chance auf eine Versöhnung, auf irgendeine friedliche Lösung, war zusammen mit Tormano gestorben. Und mit jedem Paktbürger, der bei einem Thugee-Anschlag ums Leben gekommen war. Und gleichgültig, welchen Vorteil es für den Pakt brachte, es war unmöglich geworden, auch nur eine Welt aufzugeben, wie Seng es vorgeschlagen hatte. Jetzt konnte ihr Volk nichts außer einem Sieg mehr akzeptieren, einen unmöglich zu erringenden Sieg. Nicht, bis sein Zorn ausgebrannt war. Und so würde der Krieg also weitergehen, über Tage, Wochen, Monate, erkauft mit Leben, die Kali sich anrechnen konnte, obwohl sie nicht unter den Anschlägen ihrer Thugee-Jünger endeten. Es gab keine andere Möglichkeit.
»Verdammt sollst du sein, Sun-Tzu«, stieß sie aus und gestattete sich die kurze Erleichterung, die ihr das Fluchen auf ihren Neffen bescherte. Verflucht sollst du sein, dafür, daß du Kali nicht im Zaum gehalten hast und mich dadurch zu dieser Entscheidung zwingst. Zwischen uns werden wir den Pakt zermalmen, bis dir der Preis zu hoch wird, den wir fordern, oder bis nichts mehr bleibt, was du beanspruchen könntest, außer einem Trümmerfeld. Unser hoffnungsloser Kampf. Unsere letzte Schlacht.
Möglicherweise ist das die einzige Lösung, die uns bleibt.
17
Palast des Himmels,
Zi-jin Cheng (Verbotene Stadt), Sian Kommunalität Sian, Konföderation Capella
4. Juni 3062
Sun-Tzu Liao vermied es, sich auf den Thron des Himmels zu setzen. Er wanderte langsam am Rand der Empore entlang und täuschte tiefe Nachdenklichkeit vor, während Talon Zahn und Ion Rush ihren Bericht über die jüngste Lage vortrugen. Sein Geist schwamm durch einen Ozean des Chaos, kämpfte gegen die Erinnerung an Romano Liao und versuchte zugleich, die verschiedenen Handlungsstränge zu entwirren, die er in den letzten anderthalb Jahren gewoben hatte. Außerdem war er immer noch besorgt über Sascha Wanlis Verschwinden aus dem Palast und - wie es schien - von Sian. Dieses Wandern war das einzige, was er sich erlauben konnte - was er sich zu erlauben bereit war -, um die aufgestaute Anspannung abzubauen.
In den letzten Wochen seit Kalis Ankündigung war ihm aufgefallen, daß Sascha ihre Pflichten nur noch mechanisch absolviert hatte. Sie hatte eine Haltung gedrückter Ergebenheit an den Tag gelegt, wenn sie vor ihren Fürsten zitiert worden war, so, als hätte sie jedesmal erwartet, ein Erschießungskommando im Thronsaal aufmarschiert zu sehen. Es störte ihn wahrscheinlich mehr, als es ihm hätte ausmachen sollen, daß eine seiner engsten Ratgeberinnen ihn immer noch im selben Licht sah wie seine Mutter, selbst nach einem so offensichtlichen Beispiel ihrer Verschiedenheit. Romano Liao hätte Sascha auf der Stelle erschossen. Und auch wenn Sun-Tzu ihren Tod jederzeit hätte anordnen können, und durchaus auch regelmäßig mit dem Gedanken gespielt hatte, blieb die Tatsache bestehen, daß er seine Entscheidung getroffen hatte und auch dabei geblieben wäre. Trotz aller Erinnerungen an Romano, die ihn weiter plagten, mit deren Haß auf Sascha für ihre Fehlschläge und ihre Schwäche.
Echte Schwäche oder vorgetäuschte?
Innerhalb einer Nacht war Sascha Wanli, die Direktorin der Maskirovka, einfach verschwunden. Es gab keinerlei Hinweis darauf, daß sie den Palast verlassen hatte, aber es bestand natürlich die Möglichkeit, daß sie einen Geheimgang entdeckt hatte, von dem der Kanzler nichts ahnte. Aber anschließend keinerlei Kontakt mit der Maskirovka und eine perfekte Umgehung aller Versuche des Geheimdienstes, sie aufzuspüren? Das sah nicht nach der Arbeit einer gebrochenen alten Frau aus. Das verriet Vorbereitung und Entschlossenheit. Und wenn mich Sascha so leicht im Stich lassen kann, wie weit kann ich dann meinen anderen Beratern trauen?
»Unsere letzten Berichte«, berichtete Talon Zahn gerade, »zeigen Kai
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