Battletech 46: Die Natur des Kriegers
weitergehen, dessen war Fitz sich sicher. Und ohne Zweifel würde es schlimmer werden als je zuvor.
Wenn es hier noch irgendeine Möglichkeit gab, einen Unterschied zu machen, dann sah er sie nicht.
* * *
Palastanlage, Tian-tan, St. Ives Herzogtum St. Ives, St. Ives-Pakt
Präsidentin Candace Liao blickte aus einem Fenster im zweiten Stock ihres Palais hinaus auf den Tumult am weit entfernten Haupttor. Soldaten in Schutzanzügen bewegten sich zögernd um das Wrack des Savannah Master, der durch das Tor auf das Palastgelände gebrochen war, nur um Sekunden später von einem patrouillierenden Helios zerrissen zu werden. Das Eintreffen eines Entgiftungsteams bestätigte ihre Einschätzung, bevor der Bote eintraf, der sich sicher schon auf dem Weg zu ihr befand. Ein neuer Thugee-Angriff.
Candace legte die Arme um ihre Taille und umfaßte mit den Händen die Ellbogen, um das Beben zu unterdrücken, das sie in sich aufwallen fühlte. Es war kein Zeichen der Angst. Nach vierundsiebzig Lebensjahren hatte sie keine Angst mehr vor dem Tod, nicht einmal, wenn er sich so grausam zeigte wie durch das Wei-Nervengas. Ihre frühe Laufbahn als MechKriegerin in den Diensten der Konföderation Capella hatte sie gegen derartige Ängste weitgehend immunisiert, und der Tag, an dem sie ihren St. IvesPakt offiziell aus der Konföderation gelöst hatte, war die letzte Feuerprobe gewesen. Später hatte sie das Attentat überlebt, dem ihr Ehemann zum Opfer gefallen war, und sie hatte ihn gerächt, indem sie eigenhändig ihre Schwester Romano tötete, die es befohlen hatte. Im letzten Monat war sie trotz fünf - inzwischen sechs -Thugee-Anschlägen in der Palastanlage geblieben, statt sich in ein geheimes Versteck zu flüchten.
Nein, es war nicht Angst, die ihre Hände zu verraten drohten, sondern Wut.
Über zehntausend Tote durch Nervengasanschläge. Indicass verloren, und die Rückschläge auf Taga und Nashuar drohten auch dort eine Niederlage unvermeidbar zu machen. Cassandra war auf St. Loris nur durch das beinahe selbstmörderische Opfer des jungen Tamas Rubinsky dem Tod entgangen. Simone Devon, eine unschätzbare Hilfe und gute Freundin, hatte weniger Glück gehabt. Sie hatte den Preis bezahlt, den Candace zweifelsohne hätte bezahlen müssen, wäre das Schicksal ihr nicht in Form eines fehlgeschlagenen Piratenpunktsprungs zu Hilfe gekommen. Tormano war tot, sein Sohn vermißt. Das zu glauben fiel ihr besonders schwer. Ihr Bruder war immer ein Überlebenskünstler gewesen, und doch war gerade er das erste Opfer in Kalis wahngeborenem Massaker geworden. Kali, die Todesgöttin. Sie war wahrhaft Romanos Tochter.
Und eine Frau, deren Leben ich vor zehn Jahren in meiner Hand gehalten habe, als ich sie und SunTzu von meiner Rache für Justins Tod ausnahm. Was habe ich ihm damals gesagt? ›Durch Kampf wirst du stärker, und es ist mir lieber, wenn du dir deine Gegner in deinem eigenen Reich suchst statt außerhalb‹ Candace erinnerte sich, wie zufrieden sie damals gewesen war. Aber Sun-Tzu hat sich meinen Pakt trotzdem zum Gegner gewählt. Und Kalis Wahnsinn, mit dem ich gehofft hatte, meinen Neffen zu behindern, verfolgt jetzt mich.
Tausende Tote. Nur durch Sun-Tzu war die Liste der Opfer nicht in die Hunderttausende gestiegen. Mit den Informationen, die er über Ion Rush geliefert hatte, war es gelungen, viele der Anschläge zu verhindern oder zumindest deren Folgen zu mildern. Aber auch das machte sie wütend, die Ungerechtigkeit des Schicksals, dadurch noch in der Schuld ihres Neffen zu stehen. Es wäre so leicht gewesen, ihn zu beschuldigen, sein sofortiges Handeln und das Drängen auf Kalis Verurteilung abzutun. Wie es mein Volk bereits getan hat. Aber das wäre eine Ungerechtigkeit gewesen, die Romanos oder ihrer beider Vater Maximilians würdig gewesen wäre. Dabei hätte ihr die Wut die Zunge geführt.
Candace Liao war zu erfahren, um ihr Urteilsvermögen von Wut trüben zu lassen, und ganz sicher ließ sie es sich nicht anmerken, wenn ihre Selbstsicherheit Risse bekam. »Die Bevölkerung von St. Ives braucht Stabilität und Stärke«, stellte sie laut fest. Und Stabilität hatte sie ihr sicher gegeben, drei Jahrzehnte, erkauft durch die Desertion aus der Konföderation. Jetzt muß ich stark sein, weil mir meine Nation keine Stärke mehr geben kann.
Caroline Sengs düstere Vorhersage zwei Monate zuvor, daß der Pakt kaum noch Zeit hatte, eine auf Dauer tragbare Gegenwehr zu organisieren, wurde mit jedem Wochenbericht realer.
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