BattleTech 49: Gezeiten der Macht
Tancreds Nachtstern feuerten fast gleichzeitig und beharkten einander mit Granaten und tödlichen Lichtspeeren schillernder Energie. Auf dem Sichtschirm beobachtete Tancred Sandoval durch immer wieder einbrechende Störungen, wie die Gausskugel seines Mechs knapp unter dem vorstehenden Cockpit in den Rumpf des Daishi schlug und einen tödlichen Treffer nur um einen halben Meter verfehlte. Panzerung regnete in großen Brocken zu Boden. Der im selben Arm platzierte mittelschwere Impulslaser jagte einen Schwarm smaragdgrüner Energiewespen in ein paar von Victors Panzerbreschen, erzielte jedoch keinen entscheidenden Treffer.
Prometheus stand direkt vor den Rückenkameras des Nachtstern. Seine wuchtige, breitschultrige Silhouette verdunkelte den Horizont, als er die Arme vorstreckte und rubinrote Zwillingsbahnen tödlicher Energie abfeuerte. Einer der schweren Lichtwerfer traf die Kamera, dann schlug die Simulatorkanzel nach vorne, als wäre sie mit etwa zwanzig Stundenkilometern gerammt worden. Die Sicherheitsgurte schnitten in Tancreds Schultern und verhinderten eine Verletzung - dem geschockten Adligen war sofort klar, was geschehen war.
Als er zurück in die Polster fiel und auf eine abgeschaltete Instrumentenkonsole und tote Bildschirme in der nur noch von einer einzigen, trüben roten Lampe beleuchteten Kanzel blickte, war das lediglich die Bestätigung für das, was er bereits wusste:
Er war tot.
* * *
Tancred blieb auf dem Weg den Seitengang der Haupt-ComGuards-Ausbildungsanlage hinab an Victor Steiner-Davions Seite, obwohl er gute zwanzig Zentimeter größer war als der Präzentor Martialum, und normalerweise einen entsprechend längeren Schritt hatte. Und die Körpergröße war keineswegs der einzige offensichtliche Unterschied zwischen den beiden. Victors sandblondes Haar wirkte ausgebleicht neben Tancreds glänzend schwarzer Haarpracht, die er bis auf einen Knoten in der Mitte der Schädeldecke rasiert hatte, wie es beim Adel Robinsons derzeit Mode war. Allerdings hatte Tancred die übrigen Haare nicht wie üblich zu einem Dutt geknotet, sondern zu einem Zopf geflochten. Seine leuchtend gelben Augen wirkten äußerst anziehend, oder zumindest hatten ihm das schon genügend Frauen gesagt, während die einzige Andeutung von Farbe in Victors grauen Augen ein paar blaue Sprenkel waren. Aber wenigstens hatte Victor die gesunde Gesichtsfarbe seines Vaters geerbt. Tancreds Familie neigte eher zu einem bleichen Teint. Er bräunte nicht einmal gut.
Den Altersunterschied zwischen ihnen beachtete Tancred nicht weiter. Mit zweiundvierzig Jahren war er nahe genug an Victors einunddreißig, um sich zur selben Generation zu zählen, so wie ihre Väter, Prinz Hanse Davion und Herzog James Sandoval, es gewesen waren. Aber waren sie auch Freunde gewesen? Das war eher unwahrscheinlich. Als Minister für die Mark Draconis hatte James Sandoval dem Prinzen häufig im Ohr liegen und ihm ›falls das nichts half, einen Tritt in den Arsch geben‹ müssen, wie sein Vater es ausdrückte. Tancred hatte sich ebenso gegen die anfänglichen Bemühungen Victors gestellt, insbesondere was die neutrale Haltung des Prinzen zu Haus Kurita betraf.
Sicher keine Grundlage für eine dicke Freundschaft, und doch hatte sich eben dies zwischen ihnen entwickelt. Natürlich hatte diese Freundschaft Victor nicht daran gehindert, ihn ins simulierte Jenseits zu befördern.
Anastasius Focht wartete im Nachbesprechungszimmer auf die beiden MechKrieger, einem privaten Büro, in dem die ComGuards-Offiziere ihre simulierten Gefechte im Nachhinein begutachteten. In der grauen Wand saßen zwei große Monitore, vor denen marineblau gepolsterte Stühle standen. Der Raum hatte dasselbe spartanische Ambiente wie die meisten ComStar-Anlagen. Das schien eines der wenigen Elemente zu sein, das sich im Schisma zwischen ComStar und Blakes Wort nicht geändert hatte. Irgendwie schien den Ordensmitgliedern die Humorlosigkeit im Blut zu liegen. Focht wartete, während die beiden sich, von der Zeit in den Cockpitsaunen ausgedörrt, mit Vitamindrinks versorgten, dann suchten sie sich alle einen Platz am runden Tisch in der Mitte des Zimmers.
»Ich hätte den Hügel links liegen lassen sollen«, brach Tancred das Schweigen, das er und Victor während des Duschens und auf dem Weg hierher beibehalten hatten. »Ich habe mir gewaltige Sorgen um mein Bein gemacht und stattdessen hast du mir einen Kopfschuss verpasst.«
Victor grinste. »Ehrlich gesagt fand ich den Zug
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