BattleTech 55: Mein ist die Rache
bezweifelte ohnehin, dass er intelligent genug gewesen wäre, ihn zu durchschauen, selbst wenn er es bemerkt hätte.
»Du bist ein aufmerksamer Beobachter, mein Freund«, sagte er. »Ich wollte dich so schnell wie möglich auf diese Situation hinweisen. Ich habe gehört, deine Flotte hat frische Truppen und Material mitgebracht?«
Fletcher drehte sich zu Vlad um, der eine neutrale, undurchschaubare Miene aufsetzte. »So ist es: Truppen und anderen Bedarf zur Verstärkung meiner Territorien in der Inneren Sphäre.«
Vlad trat jetzt ebenfalls an die Holokarte und strich über die drei rotbraunen Lichtpunkte der Höllenrösser-Besatzungszone. Sie lagen genau zwischen der Wolfszone und dem Geisterbären-Dominium. »Ja, deine Territorien. Nur drei Systeme...«
Fletcher tigerte sichtlich erregt auf und ab. Vlad ging davon aus, dass die Wut seines Gegenüber den Bären galt und nicht ihm: für den subtilen Versuch, das Gespräch zu steuern.
»Nur drei Systeme...«, knurrte der Elementar. »Und die Geisterbären haben so viele...«
»Und verteidigen sie kaum...«, bemerkte Vlad mit absolut neutraler Stimme.
Fletcher hielt an und blieb für einen Augenblick still stehen. Vermutlich ging er seine Optionen durch. »Die ach so großmächtigen Geisterbären dürfen nicht ungestraft davonkommen, wenn sie es wagen, sich eine derartige Blöße zu geben.«
»Ganz sicher nicht.« Vlad breitete die Arme in einer weiten Geste aus, die das ganze Dominium zu umschließen schien.
Malavai Fletcher schaute zu Vlad herüber. Auf seinem brutal zusammengeflickten Gesicht stand ein Ausdruck wilder Entschlossenheit. »Und wer wäre besser geeignet, ihnen den Preis dafür abzuverlangen, als der Clan, der zahllose Beleidigungen von ihrer Hand erdulden musste?«
Vlad wusste: Jetzt brauchte er nichts mehr zu sagen. Fletcher flog auf Autopilot. Nichts konnte seinen Zorn aufhalten, wenn er sich erst aufgebaut hatte.
Der Höllenrösserkhan nickte zufrieden. »Danke, dass du mich darauf hingewiesen hast, Vladimir Ward. Ich werde nicht vergessen, was mein Clan dir verdankt.«
Er drehte sich zur Tür und Vlad folgte ihm auf den Korridor. Er schaute dem Elementar nach, der mit weiten Schritten den langen Gang hinab und zurück zu seinem Landungsschiff stampfte.
Vlad gönnte sich ein zufriedenes Lächeln. Du ahnst nicht, wie Recht du hast, mein lieber Malavai. Wenn dieser Krieg erst vorbei ist - falls du ihn überlebst -, wirst du sicher nie vergessen, was dein Clan mir verdankt.
19
Feldhauptquartier der Geisterbären, Drachenwalde, Luzern
Präfektur Albiero, Militärdistrikt Fesht, Draconis-Kombinat
3. August 3063
In den letzten drei Monaten war Jake die Szenerie vertraut geworden: Die wöchentliche Stabsbesprechung des gesamten Sternhaufens, von Sterncolonel Marcus Gilmour bis hinab zu den einzelnen Sterncommandern. Insgesamt siebzehn Offiziere, die sich in einem normalerweise als Messe dienenden Zelt versammelten, um die neuesten Nachrichten von der Front zu hören und die Strategie zu besprechen. Jedenfalls war das die Theorie.
Gilmour, der vor den versammelten Kriegern stand, räusperte sich, und die zahlreichen Einzelgespräche verstummten. »Als wir im Mai auf Luzern eintrafen, sagte die Analyse einen der schnellen Siege voraus, wie wir sie schon zuvor errungen hatten. Aber Verstärkungen aus dem Innern des Kombinats in Verbindung mit unerwartetem Widerstand der einheimischen Zivilisten haben unseren Vormarsch aufgehalten.«
Lita beugte sich zu Jake hinüber und flüsterte: »Wir bekommen wieder die Geschichtsstunde, frapos?«
Jake nickte kaum merklich. »Pos. Vielleicht kommt er ja heute zum Punkt.«
Es war zwar unwahrscheinlich, dass Gilmour Jake verstanden hatte, aber er quittierte die unerlaubte Äußerung mit einem eisigen Blick. »Das ist jetzt drei Monate her, und seither hat sich wenig geändert. Schlimmer noch: Wir haben die letzten fünf Wochen in diesem vermaledeiten Wald mit einem, wie nennen sie das? Ach ja, einem ›Guerillakrieg‹ gegen eine unbekannte Anzahl feindlicher Mechs und Infanteristen zugebracht.«
Und soweit es Jake betraf, war das allein Gilmours Schuld. Nach all den Monaten Dienst unter dem alternden Sterncolonel war es für ihn offensichtlich, dass der Mann übertrieben methodisch und vorsichtig war. Bei anderen Feldzügen mochten ihm diese Qualitäten geholfen haben, aber hier auf Luzern waren sie hinderlich. Jake spielte kurz mit dem Gedanken, den Kommandeur zu unterbrechen und ein energischeres Handeln zu
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