Baudolino - Eco, U: Baudolino
wie hier, manche mit einem Höcker, manche mit zweien und manche sogar mit dreien. Sie sahen auch einen Feuerschlucker, der sich vor einer Schar von Einwohnern produzierte und einen Panther an der Leine führte. Die Tiere, die sie am meisten in Erstaunen versetzten, waren sehr bewegliche Vierfüßler, die zum Ziehen von kleinen Karren benutzt wurden: Sie hatten Leiber wie Fohlen, sehr hohe Beine mit Hufen wie Rinder, ein gelbes Fell mit großen braunen Flecken und vor allem einen überaus langen Hals, auf dem sich ein Kamelkopf mit zwei kleinen senkrechten Hörnern erhob. Gavagai sagte, es seien Kameloparden, sie seien schwer zu fangen, weil sie sehr schnell rennen könnten, so dass nur die Skiapoden imstande seien, sie einzuholen und ihnen eine Schlinge über den Kopf zu werfen.
Tatsächlich war die Stadt, obwohl sie keine Gassen und Plätze hatte, ein einziger großer Markt, und an jeder freien Stelle war ein Zelt oder ein Verkaufsstand errichtet, ein Teppich ausgebreitet oder ein Brett horizontal über zwei Steine gelegt. Angeboten wurden Obst und Früchte, Fleischstücke (bevorzugt offenbar vom Kameloparden), Teppiche mit Mustern in allen Farben des Regenbogens, Kleider, Messer aus schwarzem Obsidian, Steinäxte, Tonschalen, Halsketten aus Knöchelchen oder aus roten und gelben Steinchen, Hüte in den seltsamsten Formen, Umhängetücher, Decken, zierlich geschnitzte Holzkästchen, Geräte zur Feldbestellung, Stoffbälle und -puppen für die Kinder, daneben Amphoren mit blauen, grünen, ambra-, rosa- und zitronenfarbenen Flüssigkeiten sowie Schalen voll Pfeffer.
Das einzige, was man auf diesem Jahrmarkt nirgendwo sah, waren Metallgegenstände, und tatsächlich verstand Gavagai, als er nach dem Grund dafür gefragt wurde, auch überhaupt nicht, was Wörter wie Eisen, Metall, Bronze oder Kupfer bedeuteten, gleich in welcher Sprache Baudolino es versuchte.
Die Menge bestand aus geschäftig umhereilenden Skiapoden, die vollbeladene Körbe auf den Köpfen trugen, aus Blemmyern, die fast immer in gesonderten Grüppchen gingen oder hinter Verkaufstischen standen und Kokosnüsse anboten, aus Panothiern, die ihre langen Ohren im Wind flattern ließen (bis auf die Frauen, die sie sich züchtig über den Busen legten und mit einer Hand davor zusammenhielten wie ein Halstuch), und anderen Leuten, die aus einem jener Bücher über die Wunder entsprungen schienen, an deren Miniaturen sich Baudolino einst ergötzt hatte, als er Inspiration für seine Briefe an Beatrix suchte.
Da waren jene, die zweifellos Pygmäen sein mussten, Leute mit sehr dunkler Haut, einem Lendenschurz aus Stroh und jenem Bogen auf dem Rücken, mit dem sie, wie ihre Natur es wollte, in immerwährendem Krieg mit den Kranichen lagen – in welchem sie nicht wenige Siege errungen haben mussten, denn viele von ihnen boten den Passanten ihre Beute an, aufgehängt an einem langen Stock, den sie zu viert umhertrugen, je zwei vorn und zwei hinten. Da die Pygmäen kleiner als die Kraniche waren, schleiften die aufgehängten Vögel über den Boden, und deshalb waren sie am Hals aufgehängt worden, so dass die nachschleifenden Füße einen langen Strich im Staub hinterließen.
Da waren die Ponkier, und voller Neugier, obwohl sie schon von ihnen gelesen hatten, betrachteten unsere Freunde diese Wesen mit geraden Beinen ohne Kniegelenke, die steif auf Pferdehufen daherstaksten. Am bemerkenswertesten an ihnen war aber, dass bei den männlichen Angehörigen dieser Rasse der Phallus an der Brust hing und bei den weiblichen die Vagina an der gleichen Stelle war, die man jedoch nicht sah, weil die Ponkierinnen sie mit einem hinten zusammengeknüpften Brusttuch verhüllten.Der Tradition zufolge weideten sie Ziegen mit sechs Hörnern, und tatsächlich boten sie einige von diesen Tieren auf dem Markt feil.
»Genau wie es in den Büchern geschrieben stand!« murmelte Boron ganz verzückt. Dann sagte er laut, damit Ardzrouni es hörte: »Und in den Büchern stand auch geschrieben, dass die Leere nicht existiert. Wenn also die Ponkier existieren, dann existiert die Leere nicht.« Ardzrouni zuckte die Achseln und konzentrierte sich auf die Frage, ob es irgendwo eine Flüssigkeit zum Bleichen der Haut zu kaufen gab.
Um die Unrast all dieser vielen Leute im Zaum zu halten, kamen von Zeit zu Zeit hochgewachsene kohlschwarze Männer vorbei, nackt bis zum Gürtel, bekleidet mit Pluderhosen und weißem Turban und bewaffnet mit riesigen knorrigen Keulen, die mit einem einzigen
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