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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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dies akzeptierte, würde ich vielleicht meinen Frieden finden.«
    »Warst du nicht versucht umzukehren?«
    »Jeden Moment, nach den drei ersten lethargischen Tagen. Aber wir waren vom Weg abgekommen. Wir hatten nicht denselben Weg eingeschlagen, den wir gekommen waren, wir waren ständig irgendwo abgebogen, hatten dreimal dasselbe Gebirge überquert, oder vielleicht waren es auch drei verschiedene Gebirge, aber wir waren nicht mehr imstande, sie zu unterscheiden. Die Sonne allein genügte nicht zur Orientierung, und wir hatten weder Ardzrouni noch seine Karte dabei. Vielleicht waren wir um den großen Berg herumgegangen, der sich in der Mitte des Tabernakels erhebt, und auf die andere Seite der Erde gelangt. Außerdem hatten wir keine Pferde mehr. Die armen Tiere waren seit Anfang der Reise bei uns gewesen und mit uns alt geworden. Wir hatten es nicht gleich gemerkt, weil es ja in Pndapetzim keine anderen Pferde gab, mit denen man sie vergleichen konnte. Die hektische Flucht der ersten drei Tage hatte sie erschöpft. Eins nach dem anderen starb, und das war für uns beinahe ein Glück, denn sie hatten immer die Umsicht, an Orten zu sterben, wo es nichts zu essen gab, so dass wir ihr Fleisch essen konnten, das wenige, was noch an ihren Knochen hing. Wir gingen zu Fuß weiter, auf wunden Füßen, und der einzige, der sich nicht beschwerte, war Gavagai, der niemals Pferde gebraucht hatte und dessen Fußsohle mit einer zwei Finger dicken Hornhaut bewehrt war. Wir aßen echte Heuschrecken, aber ohne Honig, im Gegensatz zu den heiligen Vätern der Wüste. Dann verloren wir Colandrino.«
    »Ausgerechnet den Jüngsten ...«
    »Den Unerfahrensten von uns. Er suchte nach etwas Essbarem zwischen den Felsen, streckte die Hand in eine tückische Höhle und wurde von einer Schlange gebissen. Er hatte gerade noch genug Atem, mir zum Abschied zu sagen, ich solle die Erinnerung an seine geliebte Schwester und meine geliebte Gattin treu bewahren, damit sie wenigstens in meinem Gedächtnis weiterlebe. Ich hatte Colandrina vergessen und fühlte mich ein weiteres Mal als Ehebrecher und Verräter, an ihr und an ihm.«
    »Und dann?«
    »Dann wird alles dunkel in meiner Erinnerung. Kyrios Niketas, aus Pndapetzim fortgegangen sind wir nach meinen Berechnungen im Sommer 1197. Hier in Konstantinopel angekommen sind wir im Januar dieses Jahres. Dazwischen liegen also sechseinhalb dunkle Jahre, dunkel für meinen Geist und vielleicht auch für die Welt.«
    »Sechs Jahre seid ihr durch Wüsten geirrt?«
    »Ein Jahr, vielleicht zwei, wer achtete noch auf die Zeit? Nach Colandrinos Tod, vielleicht Monate später, fanden wir uns erneut am Fuße eines Gebirges, bei dessen Anblick wir nicht wussten, wie wir es übersteigen sollten. Von den zwölf zu Beginn der Reise waren nur noch sechs übrig, sechs Menschen und ein Skiapode. Zerlumpt, abgemagert und sonnenverbrannt, hatten wir nichts als unsere Waffen und unsere Reisesäcke. Wir dachten schon, wir wären vielleicht ans Ende unserer Reise gelangt und es sei uns beschieden, dort zu sterben. Da sahen wir auf einmal eine Reiterschar auf uns zukommen. Es waren prächtig gekleidete Reiter, sie hatten schimmernde Waffen, Menschenleiber und Hundeköpfe.«
    »Es waren Kynokephalen. Also gibt es sie wirklich!«
    »So wahr es Gott gibt. Sie begrüßten uns mit bellenden Lauten, wir verstanden nichts, einer, der offenbar ihr Anführer war, lächelte – vielleicht war es ein Lächeln, vielleicht auch ein Knurren, das seine spitzen Hundezähne enthüllte –, bellte einen Befehl, und die anderen banden uns so aneinander, dass wir im Gänsemarsch gehen mussten. Sie führten uns auf einem verborgenen Weg durchs Gebirge; nach einigen Stunden Wanderung gelangten wir in ein Tal, in dessen Mitte sich ein steiler Felsen erhob, gekrönt von einer mächtigen Burg, über welcher Raubvögel kreisten, die auch aus der Ferne noch riesig wirkten. Mir fiel die Beschreibung ein, die Abdul mir einst gegeben hatte, und ich erkannte die Felsenburg Aloadins.«
     
    Sie war es. Die Hundsköpfigen ließen ihre Gefangenen vielfach gewundene, in den Felsen gehauene Stufen zu der uneinnehmbaren Festung hinaufsteigen und führtensie ins Innere der Burg, die ihnen fast so groß wie eine Stadt vorkam und in der sie zwischen Türmen und Zinnen hängende Gärten und überdachte Gänge mit vergitterten Fenstern gewahrten. Sie wurden von anderen, diesmal mit Peitschen bewaffneten Hundsköpfigen in Empfang genommen. Als sie durch einen Korridor

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