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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Körbe der wundersam vermehrten Brote und Fische ausgeredet, denn nach einem solchen Wunder hatten die Leute, meinte er, die Körbe doch sicher unter sich aufgeteilt, so dass nicht einmal Konstantin sie wieder hätte zusammensetzen können. Nur einen davon zu verkaufen mache keinen guten Eindruck, und auf jeden Fall würde es schwierig sein, ihn heimlich von Hand zu Hand weiterzureichen, denn wenn Jesus damit so viele Menschen gespeist hatte, konnte es sich nicht um ein Körbchen handeln, das man unter dem Mantel verstecken kann. Na schön, lassen wir die Körbe weg, meinte der Poet, aber Noahs Axt, die findest du mir. Warum nicht, sagte Pevere, hier hast du eine mit einer Klinge, die schon fast eine Säge ist, und mit einem schon ganz verkohlten Griff.
     
    Danach verkleideten sich unsere Freunde als armenische Händler (die Genueser waren inzwischen bereit, die Unternehmung zu finanzieren) und zogen mit Verschwörermiene durch Tavernen und Feldlager der Pilger, hier ein halbes Wort fallenlassend, dort auf die Schwierigkeiten der Sache hinweisend, den Preis in die Höhe treibend, weil sie schließlich ihr Leben riskierten, und dergleichen mehr.
    Eines Abends sagte der Boidi, er habe einen Ritter aus Montferrat gefunden, der sich für Noahs Axt interessierte, aber er wolle sicher sein, dass es die echte war. »Na schön«, sagte Baudolino, »gehen wir zu Noah und bitten ihn um eine eidesstattliche Erklärung mit Siegel.«
    »Konnte Noah denn schreiben?« fragte Boron.
    »Noah konnte sich bloß die Hucke vollaufen lassen«, sagte der Boidi. »Er muss ganz schön blau gewesen sein, als er die Tiere in die Arche lud: Bei den Mücken hat er's übertrieben, und die Einhörner hat er völlig vergessen, weswegen man heute keine mehr sieht.«
    »Man sieht noch welche, man sieht schon noch welche ...«, murmelte Baudolino, der plötzlich seine gute Laune verloren hatte.
    Pevere sagte, er habe auf seinen Reisen ein bisschen die Schrift der Juden erlernt und könne mit einem Messer ein paar von ihren Krakeln auf den Stiel der Axt ritzen. »Noah war doch Jude, oder?« Klar, Jude, bestätigten die Freunde. Armer Solomon, ein Glück, dass er nicht mehr da war, wie hätte er gelitten! Aber auf diese Weise gelang es dem Boidi am Ende tatsächlich, die Axt an den Mann zu bringen.
    An manchen Tagen war es schwierig, Käufer zu finden, weil die Stadt allmählich in Aufruhr geriet und die Pilger überraschend ins Lager zurückgerufen wurden, um dort auf weitere Befehle zu warten. So hieß es zum Beispiel, Murtzuphlos habe Philea angegriffen, unten an der Küste, die Pilger seien kompakt dazwischengegangen, es sei zu einer Schlacht gekommen oder jedenfalls zu einem Scharmützel, Murtzuphlos habe eine schöne Schlappe erlitten, und sie hätten das Banner mit der Jungfrauen-Ikone erobert, das sein Heer als Feldzeichen vor sich hertrug. Murtzuphlos war dann nach Konstantinopel zurückgekehrt, aber er hatte seinen Leuten verboten, zu irgendwem von dieser Schande zu sprechen. Die Lateiner hatten von seiner Zurückhaltung erfahren, und so ließen sie eines Morgens direkt vor den Mauern eine Galeere vorbeidefilieren, mit dem Banner gut in Sicht und auf Deck angetretenen Männern, die den Romäern obszöne Gesten hinübersandten, wie das Feigenzeichen oder das Schlagen der linken Hand auf den rechten Arm. Murtzuphlos hatte nicht gut ausgesehen, und in den Straßen sangen die Leute Spottlieder über ihn.
    Kurz und gut, zwischen der Zeit, die man zur Herstellung einer guten Reliquie braucht, und der, die es dauert, bis man sie gut untergebracht hat, vergingen für unsere Freunde die Monate Januar, Februar und März; mit dem Kinn des heiligen Eoban heute und dem Schienbein der heiligen Kunigunde morgen brachte sie eine hübsche Summe zusammen, die es ihnen erlaubte, sowohl den Kredit der Genueser zurückzuzahlen als auch sich selbst gehörig neu einzukleiden.
    »Dies mag dir erklären, Kyrios Niketas, warum in den letzten Wochen so viele doppelt vorhandene Reliquien indeiner Stadt aufgetaucht sind, bei denen inzwischen Gott allein weiß, welche von beiden die echte ist. Aber versetz dich einmal in unsere Lage, wir mussten ja irgendwie überleben, zwischen den Lateinern einerseits, die jederzeit zu Diebstahl und Raub bereit waren, und deinen Graeculi, entschuldige, deinen Römern andererseits, die bereit waren, sie zu betrügen. Letztlich haben wir nur die Betrüger betrogen.«
    »Nun ja«, sagte Niketas resigniert, »vielleicht werden ja viele

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