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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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hatten, wollten die Lateiner es zehn Jahre später noch einmal versuchen, diesmal unter der Führung großer Fürsten wie Balduin von Flandern oder Bonifaz von Montferrat. Aber sie brauchten eine Flotte, und die ließen sie sich von den Venezianern bauen. Ich habe dich höhnisch über den Geiz der Genueser reden hören, aber verglichen mit den Venezianern sind die Genueser die Großzügigkeit in Person. Die Lateiner hatten ihre Schiffe bekommen, aber sie hatten kein Geld, um sie zu bezahlen, und da verlangte der venezianischeDoge Enrico Dandolo (das Schicksal wollte, dass auch er blind war, aber unter den vielen Blinden dieser Geschichte war er der einzige Weitblickende), dass sie zur Begleichung ihrer Schuld, bevor sie ins Heilige Land fuhren, für ihn die dalmatinische Hafenstadt Jadara oder Zara, wie ihr sie nennt, unterwarfen. Die Pilger willigten ein, und das war ihr erstes Verbrechen, denn man nimmt nicht das Kreuz, um dann eine Stadt für die Venezianer zu erobern. Unterdessen hatte Alexios, der Bruder jenes Isaakios Angelos, der Andronikos abgesetzt und selber die Macht ergriffen hatte, seinen Bruder blenden lassen und ans Ufer des Meeres verbannt, um sich seinerseits als Basileus zu proklamieren.«
    »Das hatten mir die Genueser sofort erzählt. Es war eine wirre Geschichte, denn Isaakios' Bruder war Alexios III. geworden, aber es gab auch einen Alexios, der Isaakios' Sohn war: Er hatte fliehen können und war nach Zara gegangen, das inzwischen fest in venezianischer Hand war, um die lateinischen Pilger zu bitten, ihm auf den Thron seines Vaters zu verhelfen, wofür er ihnen seine Hilfe bei der Eroberung des Heiligen Landes versprach.«
    »Man kann leicht etwas versprechen, das man noch nicht hat. Alexios III. hätte im übrigen begreifen müssen, dass sein Reich in Gefahr schwebte. Aber obgleich er seine Augen noch hatte, war er verblendet von der Trägheit und Korruption, die ihn umgab. Stell dir vor, einmal wollte er weitere Kriegsschiffe bauen lassen, aber die Waldhüter der kaiserlichen Wälder erlaubten nicht, dass Bäume für das Bauholz gefällt wurden. Andererseits hatte Michael Stryphnos, ein General der Armee, bereits Segel und Taue, Steuerruder und andere Teile der vorhandenen Schiffe verschachert, um seine Kassen zu füllen. Unterdessen war der junge Alexios in Zara von der dortigen Bevölkerung als Kaiser von Byzanz begrüßt worden, und im Juni des vorigen Jahres erschienen die Lateiner dann hier vor der Stadt. Hundertzehn Galeeren und siebzig Segelschiffe, die tausend Ritter und dreißigtausend Fußsoldaten transportierten, mit den Schilden an den Seiten und den Fahnen im Wind und den Bannern auf den Kastellen, fuhren wie beieiner Parade in den Sankt-Georgs-Arm ein, mit Trommeln und Trompeten, und die Unseren standen gaffend auf den Mauern. Nur einige warfen Steine, aber mehr um zu lärmen, als um wirklich Schaden anzurichten. Erst als die Lateiner genau vor Pera ankerten, ließ dieser Tor Alexios III. die kaiserliche Armee ausrücken. Aber es war ebenfalls eher eine Parade, in Konstantinopel lebte man wie in einem Halbschlaf. Du weißt vielleicht, dass der Eingang zum Goldenen Horn mit einer großen Kette versperrt war, die von einem Ufer zum anderen reichte, aber sie wurde von den Unseren schlecht verteidigt: Die Lateiner durchbrachen die Kette, fuhren in den Meeresarm ein und setzten ihre Armee genau vor dem Blachernenpalast an Land. Unsere Armee machte einen Ausfall vor die Mauern, geführt von dem jungen Kaiser, die Damen verfolgten das Spektakel von den Fenstern und Zinnen des Palastes aus und sagten, die Unseren hätten wie Engel ausgesehen mit ihren schönen, in der Sonne schimmernden Rüstungen. Erst als der Kaiser, anstatt sich in die Schlacht zu stürzen, wieder in die Stadt zurückkehrte, begriffen sie, dass etwas nicht so lief, wie es sollte. Und noch besser begriffen sie das ein paar Tage später, als die Lateiner die Mauern vom Meer aus angriffen und es einigen von ihnen gelang, sie zu erklimmen und die nächststehenden Häuser in Brand zu stecken. So kam es zur ersten großen Feuersbrunst, und nun erst begannen meine Mitbürger zu begreifen. Was aber tat Alexios III.? Er ließ nächtens zehn Kentenare Gold und anderen Schmuck auf ein Schiff verladen und floh mit ihm aus der Stadt.«
    »Und sein Bruder Isaakios kehrte auf den Thron zurück.«
    »Ja, aber er war schon alt und zudem geblendet, und die Lateiner erinnerten ihn daran, dass er die Herrschaft mit seinem Sohn teilen

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