Baudolino - Eco, U: Baudolino
Sonntag vergingen, ohne dass etwas geschah, auch wenn alle sehr wachsam blieben. Baudolino nutzte die gespannte Ruhe, um kreuz und quer durch Konstantinopel zu streifen auf der Suche nach dem Poeten, aber vergeblich.
Es war schon die Nacht zum Montag, als ihr Gefährte endlich wiederkam. Sein Blick war noch irrer als zuvor, er sagte kein Wort, setzte sich hin und trank schweigend bis zum nächsten Morgen.
Im ersten Licht jenes Montagmorgens begannen die Pilger wieder zu stürmen, und so ging es den ganzen Tag weiter. Die Sturmleitern der venezianischen Schiffe waren erfolgreich an einige Türme der Stadtmauern angelegt worden, die Kreuzritter waren in die Stadt eingedrungen, oder nein, es war nur ein einziger, ein Riese mit einem Helm wie eine turmbewehrte Stadt, der die Verteidiger mit Entsetzen erfüllt und in die Flucht getrieben hatte. Oder nein, jemand war an Land gesprungen, hatte eine Pforte in der Mauer gefunden, hatte sie mit Piken zerstört und ein Loch in die Mauer geschlagen, ja, aber dann waren sie zurückgedrängt worden, doch einige Türme waren bereits erobert ...
Der Poet ging im Zimmer auf und ab wie ein Tier im Käfig, er schien ungeduldig darauf zu warten, dass die Schlacht sich für eine der beiden Seiten entschied, er sah Baudolino an, als wollte er ihm etwas sagen, verzichtete dann aber darauf und verfolgte mit düsterem Blick die Bewegungen seiner drei anderen Gefährten. Nach einer Weile kam die Nachricht, dass Murtzuphlos sein Heer im Stich gelassen und die Flucht ergriffen hatte, woraufhin die Verteidiger das bisschen Mut, das ihnen noch geblieben war, verloren, so dass die Pilger vorstoßen und die Mauern überwinden konnten. Sie wagten allerdings nicht, tiefer in die Stadt einzudringen, da es bereits dunkelte, und begnügten sich damit, die ersten Häuser anzuzünden, um eventuell dort verschanzte Verteidiger zu vertreiben. »Die dritte Feuersbrunst in weniger als einem Jahr«, klagten die Genueser. »Aber dies ist sowieso keine Stadt mehr, nur noch ein Haufen Müll, der verbrannt werden muss, wenn er zu groß wird.«
»Der Teufel soll dich holen!« fuhr der Boidi den Poeten an, »Hättest du uns nicht warten lassen, wären wir längst aus diesem Müllhaufen raus! Was machen wir jetzt?«
»Halt's Maul, ich weiß schon, was ich tue«, fauchte der Poet zurück.
Die ganze Nacht über war der Widerschein des Brandes am Himmel zu sehen. Als es hell wurde, sah Baudolino, der zu schlafen schien, aber die Augen offen hatte, wie der Poet erst zu Boidi schlich, dann zu Boron und schließlich zuKyot, um ihnen etwas ins Ohr zu flüstern. Danach verschwand er. Später sah Baudolino, wie Kyot und Boron miteinander tuschelten, etwas in ihren Reisesäcken suchten und leise hinausgingen, offensichtlich bemüht, ihn nicht zu wecken.
Kurz darauf kam der Boidi zu ihm und rüttelte ihn am Arm. Er war beunruhigt. »Baudolino«, sagte er, »ich weiß nicht, was vorgeht, aber hier sind anscheinend alle dabei, verrückt zu werden. Der Poet ist zu mir gekommen und hat mir genau diese Worte gesagt: ›Ich habe Zosimos gefunden, und jetzt weiß ich, wo der Gradal ist, versuch nicht, den Schlaumeier zu spielen, nimm deinen Täuferkopf und finde dich bis heute Nachmittag in Katabate ein, dort, wo Zosimos damals den Basileus empfangen hatte, du kennst den Weg.‹ Was meint er mit Katabate? Und von welchem Basileus hat er gesprochen? Hat er dir nichts gesagt?«
»Nein«, sagte Baudolino, »im Gegenteil, es scheint, dass er gerade mich über all dies im Dunkeln lassen will. Und vor lauter Aufregung hat er ganz vergessen, dass zwar Boron und Kyot damals dabei waren, als wir vor Jahren hingingen, um Zosimos in Katabate zu fangen, aber du nicht. Alles sehr seltsam. Ich will jetzt Klarheit über die Sache haben.«
Er ging zu Boiamondo. »Hör zu«, sagte er, »erinnerst du dich an jenen Abend vor vielen Jahren, als du uns in die Krypta unter dem alten Kloster von Katabate geführt hast? Da müssen wir jetzt wieder hin.«
»Kein Problem. Du musst zu dem kleinen Pavillon gehen, der nicht weit von der Kirche der Heiligen Apostel ist. Und vielleicht schaffst du es bis dorthin, ohne auf Pilger zu stoßen, die noch nicht so weit vorgedrungen sein können. Wenn du heil zurückkommst, wird das bedeuten, dass ich recht gehabt habe.«
»Ja, aber ich müsste dorthin, ohne dort aufzutauchen. Ich meine, ich kann dir jetzt nicht erklären, warum, aber ich muss jemandem folgen oder ihm zuvorkommen, der denselben Weg geht, und
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