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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verführerisch vorgekommen.
    Als das Lied zu Ende war, sank Abdul erschöpft zusammen. Baudolino fürchtete schon, er werde in Ohnmacht fallen, und beugte sich über ihn, aber Abdul hob eine Hand, als wollte er ihn beruhigen, und begann auf einmal leise zu lachen, einfach so, ohne Grund. Er lachte, und dabei zitterte er am ganzen Körper. Baudolino dachte, er hätte Fieber, Abdul sagte immer noch lachend, er solle ihn lassen, er werde sich schon wieder beruhigen, er kenne das, er wisse, worum es sich handle. Und schließlich, gedrängt von Baudolinos Fragen, entschloss er sich, ihm sein Geheimnis zu beichten.
    »Hör zu, mein Freund. Ich habe ein bisschen grünen Honig genommen, nur ein kleines bisschen. Ich weiß, dass es eine teuflische Versuchung ist, aber manchmal hilft es mir beim Singen. Hör zu, und schilt mich nicht. Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich im Heiligen Land eine wunderbare und schreckliche Geschichte gehört. Es hieß, nichtweit von Antiochia lebte eine Sarazenensippe, die in den Bergen hauste, hoch oben auf einer nur den Adlern zugänglichen Burg. Ihr Anführer nannte sich Aloadin, und er flößte sowohl den sarazenischen wie den christlichen Fürsten größten Schrecken ein. Mitten in seiner Burg nämlich, so hieß es, gab es einen Garten mit allen Arten von Früchten und Blumen, durch welchen Bäche von Wein, Milch, Honig und Wasser flossen, und überall tanzten und sangen Mädchen von unvergleichlicher Schönheit. In diesem Garten durften nur junge Männer leben, die Aloadin entführen ließ, um sie an diesem Ort des Entzückens an nichts als Lust zu gewöhnen. Ich sage Lust, denn jene Mädchen waren, wie ich die Erwachsenen raunen hörte – wobei ich verwirrt errötete –, willig und stets bereit, die jungen Männer zu befriedigen, sie verschafften ihnen unbeschreibliche und, wie ich vermute, zermürbende Freuden. So dass naturgemäß jeder, der an diesen Ort gelangte, ihn um keinen Preis wieder verlassen wollte.«
    »Nicht schlecht, dein Aloadin oder wie er sich nannte«, sagte Baudolino lächelnd, während er dem Freund ein feuchtes Tuch an die Stirn drückte.
    »Das meinst du«, entgegnete Abdul, »weil du noch nicht die ganze Geschichte kennst. Eines schönen Morgens erwachte einer der jungen Männer in einem kahlen, sonnendurchglühten Hof und fand sich in Ketten liegen. Nach einigen qualvollen Tagen wurde er zu Aloadin gebracht, warf sich vor ihm auf die Knie, drohte sich umzubringen und flehte, ihn wieder in jenen lustvollen Garten zurückzuversetzen, auf dessen Wonnen er nicht mehr verzichten könne. Da eröffnete ihm Aloadin, er sei beim Propheten in Ungnade gefallen und könne seine Gunst nur wiedererlangen, wenn er bereit sei, eine große Tat zu vollbringen. Er gab ihm einen goldenen Dolch und sagte, er solle sich an den Hof eines mit ihm verfeindeten Herrn begeben und ihn töten. Auf diese Weise würde er sich erneut verdienen, was er begehrte, und sollte es ihn das Leben kosten, würde er sofort ins Paradies kommen, wo es genauso schön sei wie in jenem Garten, aus dem er verbannt worden sei, ja sogar noch schöner. So kam es, dass Aloadin eine enormeMacht hatte und alle Fürsten ringsum in Schrecken versetzte, ob Mauren oder Christen, denn seine Abgesandten waren zu jedem Opfer bereit.«
    »Na dann«, kommentierte Baudolino, »doch lieber eine dieser schönen Pariser Tavernen und ihre Mädchen, die man haben kann, ohne sich dafür zu verkaufen. Aber du, was hast du mit dieser ganzen Geschichte zu tun?«
    »Viel habe ich damit zu tun, denn als Zehnjähriger bin ich von Aloadins Männern entführt worden. Und bin fünf Jahre bei ihnen geblieben.«
    »Und als Zehnjähriger hast du all diese Mädchen genossen? Und dann bist du losgeschickt worden, um jemanden zu ermorden? Abdul, was erzählst du mir da?«
    »Ich war noch zu klein, um sofort unter die glücklichen jungen Männer eingereiht zu werden, ich wurde als Diener einem Eunuchen zugeteilt, der sich um ihr Wohlergehen kümmerte. Aber hör zu, was ich entdeckte. Fünf Jahre lang hatte ich nie etwas von irgendeinem Garten gesehen, denn die jungen Männer lagen immer aneinandergekettet in jenem kahlen, sonnendurchglühten Hof. Jeden Morgen nahm der Eunuch aus einem Schrank kleine Silbergefäße, die eine honigartige, aber grünliche Flüssigkeit enthielten, trat vor jeden der Gefangenen und verabreichte ihm einen Löffel davon. Sie schluckten das Zeug und begannen sofort, sich und den anderen all jene Genüsse und Wonnen zu

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