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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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erschien, die Zahl der Evangelien zu übertrumpfen. Er hatte den Hof verlassen, zufrieden mit der erfüllten Pflicht, und langweilte sich nun in einem bayerischen Kloster. Als Baudolino ihm schrieb, dass er die Bücher der unerschöpflichen Bibliothek von Sankt Viktor in Reichweite habe, bat er ihn, ihm doch ein paar seltene Traktate zu nennen, die sein Wissen bereichern könnten.
    Baudolino, der Ottos Meinung über die geringe Phantasie des armen Kanonikus teilte, hielt es für sinnvoll, sie ein wenig zu nähren, und nannte ihm nicht nur einige Titel von Codizes, die er gesehen hatte, sondern auch frei erfundene wie etwa einen Tractatus de optimitate triparum des Doctor Venerabilis Beda, eine Ars honeste petandi , ein De modo cacandi , ein De castramentandis crinibus und ein De patria diabolorum . Lauter Werke, die das Erstaunen und die Neugier Rahewins erregten, so dass er sich beeilte, Abschriften dieser unbekannten Schätze der Wissenschaft zu erbitten. Baudolino hätte ihm diesen Dienst auch gerne erwiesen, gleichsam als Wiedergutmachung dafür, dass er einst jenes Pergament aus Herrn Ottos Besitz entwendet und abgeschabt hatte, aber er wusste beim besten Willen nicht, was er abschreiben sollte, und so musste er sich in die Ausrede flüchten, besagte Werke befänden sich zwar in der Abtei von Sankt Viktor, stünden aber im Geruch der Häresie und würden daher niemandem gezeigt.
     
    »Später habe ich dann erfahren«, sagte Baudolino zu Niketas, »dass Rahewin an einen ihm bekannten Pariser Gelehrten geschrieben und ihn gebeten hatte, jene Handschriften von den Mönchen in Sankt Viktor zu erbitten, die natürlich keine Spur davon fanden und ihren Bibliothekar der Pflichtvergessenheit ziehen, woraufhin der Ärmste hoch und heilig schwor, sie noch niemals gesehen zu haben. Ich stelle mir vor, dass schließlich irgendein Kanonikus, um die Sache in Ordnung zu bringen, die betreffenden Werke tatsächlich geschrieben hat, und ich hoffe, dass man sie eines Tages findet.«
     
    Unterdessen hielt ihn der Poet über die Taten Friedrichs auf dem Laufenden. Die italienischen Kommunen hielten sich nicht an alles, was sie auf dem Reichstag von Roncaglia geschworen hatten. Vereinbart war, dass die aufbegehrenden Städte ihre Mauern schleiften und ihre Kriegsmaschinen vernichteten, aber die Städter taten nur so, als ob sie die Gräben um die Stadt zuschütteten, ließen sie jedoch weiter bestehen. Friedrich schickte Boten nach Crema, um die dortigen Bürger zur Eile zu treiben, doch die Cremeser drohten, die kaiserlichen Gesandten zu töten, wenn sie sich nicht schnellstens aus dem Staube machten, und töteten wirklich einige, die nicht rechtzeitig entkamen. Alsdann wurden Rainald von Dassel und ein Pfalzgraf nach Mailand geschickt, um dort die Stadtvögte zu ernennen, denn die Mailänder konnten nicht einerseits behaupten, sie anerkennten die kaiserlichen Rechte, und sich andererseits ihre eigenen Konsuln wählen. Aber auch hier fehlte nicht viel, dass den beiden Gesandten das Fell gegerbt worden wäre, und diesmal waren es nicht irgendwelche Boten, sondern immerhin der Kanzler des Reiches und einer der Grafen aus der nächsten Umgebung des Kaisers! Damit nicht zufrieden, belagerten die Mailänder das Kastell von Trezzo und legten dessen Besatzung in Ketten. Schließlich griffen sie erneut die Stadt Lodi an, und wenn jemand Lodi angriff, sah der Kaiser rot. So beschloss er, um ein Exempel zu statuieren, die Stadt Crema zu belagern.
    Zunächst ging die Belagerung nach den Regeln einesKrieges zwischen Christen vonstatten. Die Cremeser, unterstützt von den Mailändern, machten ein paar schöne Ausfälle und nahmen viele Kaiserliche gefangen. Die Cremoneser (die sich aus Hass auf ihre Nachbarn in Crema für diesmal auf die Seite des Reiches stellten, zusammen mit den Pavesern und den Lodianern) bauten große Belagerungsmaschinen – die am Ende mehr Belagerern als Belagerten das Leben kosten sollten, aber so liefen die Dinge damals. Es habe wunderschöne Zusammenstöße gegeben, erzählte genüsslich der Poet, und alle erinnerten sich an das eine Mal, als der Kaiser sich von den Lodianern zweihundert leere Fässer geben ließ, sie mit Erde füllen und in den Graben werfen ließ, den Rest zuschütten und mit Reisig bedecken ließ, das die Lodianer mit mehr als zweihundert Karren herangeschafft hatten, so dass man schließlich mit den Rammen oder »Widdern« darüberfahren konnte, um Breschen in die Mauer zu schlagen.
    Doch als

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