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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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du, du bist das Unglück unserer Familie, komm runter da von deinem Maultier, das du wahrscheinlich gestohlen hast, dass ich dir diesen Knüppel über die Rübe haue!« Und schon hatte er Baudolino am Fuß gepackt, um ihn herunterzuzerren, aber da trat der Herr dazwischen, der wie ein Ritter aussah, und sagte: »Komm, Gagliaudo, begrüß deinen wiedergefundenen Sohn nach dreißig Jahren ...«
    »Dreizehn«, sagte Baudolino.
    »Du sei still, wir beide reden gleich miteinander. Nach dreißig Jahren hast du ihn wiedergefunden, und in solchen Fällen umarmt man sich und dankt dem Himmel, Herrgott!« Baudolino war inzwischen abgestiegen und machte Anstalten, sich seinem Vater in die Arme zu werfen, der zu weinen begonnen hatte, aber da trat der Herr, der wie ein Ritter aussah, von neuem dazwischen und packte Baudolino am Kragen: »Wenn es hier jemanden gibt, der eine Rechnung mit dir zu begleichen hat, dann bin ich es.«
    »Und wer bist du?« fragte Baudolino. »Ich bin Oberto del Foro, aber du weißt es nicht mehr und erinnerst dich womöglich an gar nichts. Ich war vielleicht zehn Jahre alt, und mein Vater hatte sich herabgelassen, einen Besuch bei deinem Vater zu machen, um ein paar Kälber zu besichtigen, die er kaufen wollte. Ich war so angezogen, wie es sich für den Sohn eines Ritters gehörte, und mein Vater wollte nicht, dass ich mit in den Stall ging, weil er fürchtete, dass ich mich schmutzig machen würde. So bin ich draußen ums Haus gegangen, und hinter dem Haus warst du, und du warst total verdreckt, dass man meinen konnte, du wärst direkt aus einem Misthaufen gestiegen. Du bist auf mich zugekommen, hast mich angesehen, hast mich gefragt, ob ich ein Spiel mit dir machen wolle, ich Dummkopf habe ja gesagt, und da hast du mir einen Stoß gegeben, der mich rücklings in den Schweinetrog fallen ließ. Als mein Vater mich in dem Zustand sah, verpasste er mir eine Tracht Prügel, weil ich das neue Gewand ruiniert hatte.«
    »Mag sein«, sagte Baudolino, »aber das ist dreißig Jahre her ...«
    »Bisher sind es erst dreizehn, und seit damals habe ich jeden Tag daran gedacht, denn nie im Leben bin ich so tief gedemütigt worden wie damals, und immer habe ich mir seitdem gesagt: Wenn ich eines Tages den Sohn dieses Gagliaudo treffe, bringe ich ihn um.«
    »Und jetzt willst du mich umbringen?«
    »Jetzt nicht, genauer, nicht mehr, weil wir hier alle zusammengekommen sind, um eine Stadt zu erbauen, damit wir dem Kaiser Widerstand leisten können, wenn er wiederin diese Gegend kommt, und da will ich meine Zeit nicht damit vertun, dich umzubringen. Dreißig Jahre lang ...«
    »Dreizehn.«
    »Dreizehn Jahre lang habe ich diese Wut im Bauch gehabt, und stell dir vor, gerade jetzt ist sie mir vergangen.«
    »Manchmal, wenn man's ausspricht ...«
    »Lass die klugen Sprüche, geh deinen Vater umarmen. Und danach, wenn du mich für damals um Entschuldigung bittest, gehen wir alle gemeinsam zu einem gerade fertig gewordenen Haus, wo Richtfest gefeiert wird, denn in solchen Fällen ist es üblich, einen Becher vom Guten zu leeren und, wie unsere Alten sagten, alé, goga e migoga! «
    So fand sich Baudolino in einem geräumigen Keller wieder. Die Stadt war noch nicht fertig, und schon war die erste Taverne eröffnet mit einer schönen Laube im Hof, aber in dieser Jahreszeit saß man besser drinnen, in einer Höhle, die wie ein großes Fass gestaltet war, an langen hölzernen Tischen vor schönen Krügen und Tellern mit kleinen Salami aus Eselsfleisch, die dir (erklärte Baudolino dem entsetzten Niketas) wie aufgeblasene Schläuche vorkommen mögen, du schneidest sie auf und lässt sie in Öl und Knoblauch brutzeln, und sie sind eine Köstlichkeit. Kein Wunder also, dass die Versammelten allesamt fröhlich, übelriechend und leicht beschwipst waren. Oberto del Foro verkündete ihnen die Rückkehr des Sohnes von Gagliaudo Aulari, und sofort kamen einige herbeigestürzt, um Baudolino auf die Schultern zu schlagen, und er riss zuerst überrascht die Augen auf, und dann schlug er zurück in einer wahren Orgie des Wiedererkennens, die gar nicht aufhören wollte. »O Herr im Himmel, du bist doch der Scaccabarozzi! Und du der Cuttica aus Quargnento! Und du, wer bist du? Nein, warte, lass mich raten, ach ja, du bist der Squarciafichi! Und du bist der Ghini oder der Porcelli?«
    »Nein, der Porcelli ist er, den ihr immer mit Steinen beworfen habt. Ich war der Ghino Ghini, und um die Wahrheit zu sagen, ich bin es noch. Wir beide sind

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