Baudolino - Eco, U: Baudolino
immer im Winter zum Schlittern aufs Eis gegangen.«
»Herrgott ja, stimmt, du bist der Ghini. Aber warst du nicht der, der einem alles verkaufen konnte, sogar dieKöttel von deiner Ziege wie damals, als du sie diesem Pilger als sterbliche Reste von San Baudolino angedreht hattest?«
»Ja freilich, und jetzt bin ich Kaufmann geworden, da kannst du mal sehen, dass es wirklich ein Schicksal gibt. Und der da, rate mal, wer das ist ...«
»He, das ist ja der Merlo! Merlo, was hab ich immer zu dir gesagt?«
»Du hast immer zu mir gesagt: Du hast's gut, du bist blöd und nimmst nix krumm ... Und statt dessen, sieh her, anstatt was zu nehmen, hab ich was verloren«, und er streckte den rechten Arm vor, an dem keine Hand mehr war. »Bei der Belagerung von Mailand, der vor zehn Jahren.«
»Ach je, du Ärmster! Aber hör mal, grad wollt' ich's schon sagen, soweit ich weiß, waren doch die Leute aus Gamondio, Bergoglio und Marengo immer auf der Seite des Kaisers gewesen. Wie kommt das, erst wart ihr mit ihm, und jetzt baut ihr eine Stadt gegen ihn?«
Alle redeten gleichzeitig los, um es ihm zu erklären, und das einzige, was Baudolino verstand, war, dass rings um die alte Burg und die Kirche der Santa Maria von Roboreto eine Stadt entstanden war, erbaut von Leuten aus den Nachbardörfern wie eben Gamondio, Bergoglio und Marengo, aber mit Scharen ganzer Familien, die von überallher zusammengeströmt waren, aus Rivalta Bormida, aus Bassignana oder aus Piovera, um sich Häuser zu bauen und sie dann zu bewohnen. Und schon im Mai waren drei von ihnen, Rodolfo Nebia, Aleramo aus Marengo und Oberto del Foro, nach Lodi gegangen, um den dort versammelten Kommunen den Beitritt der neuen Stadt zu verkünden, obwohl es diese vorerst noch mehr in den Köpfen als am Ufer des Tanaro gab. Doch alle hatten sie dann geschuftet wie die Tiere, den ganzen Sommer lang und auch den Herbst, und jetzt war die Stadt beinahe fertig, bereit, dem Kaiser den Weg zu versperren, wenn er das nächste Mal nach Italien ziehen würde, wie es seine schlechte Gewohnheit war.
Aber wie denn den Weg versperren, fragte Baudolino ein bisschen skeptisch, er braucht doch bloß außen herum zugehen? Ha, nein, antworteten sie, du kennst den Kaiser nicht (dachten die!), eine Stadt, die ohne seine Einwilligung entsteht, ist für ihn ein Schandfleck, der nur mit Blut abgewaschen werden kann. Er wird gezwungen sein, sie zu belagern (und hier hatten sie recht, sie kannten Friedrichs Charakter gut), deswegen brauchen wir solide Mauern und Straßen, die extra für den Krieg gebaut sind, und zu diesem Zweck haben wir uns die Genueser geholt. Die sind zwar Seeleute, aber sie fahren in viele fremde Länder, um dort neue Städte zu erbauen, und sie kennen sich aus.
Aber die Genueser sind keine Leute, die etwas umsonst machen, sagte Baudolino. Wer hat sie bezahlt? Sie selber haben bezahlt, sie haben uns schon ein Darlehen von tausend Genueser Solidi gegeben, und weitere tausend haben sie uns für nächstes Jahr versprochen. Und was meint ihr mit Straßen, die extra für den Krieg gebaut sind? Das lass dir von Emmanuele Trotti erklären, der hat die Idee gehabt. Trotti, red du, du bist der Poliorket!
»Was ist ein Poliorket?«
»Sei still, Boidi, lass den Trotti reden.«
Daraufhin sagte der Trotti (der ebenfalls wie Oberto del Foro ein miles zu sein schien, das heißt ein Ritter, ein kleiner Lehnsherr mit einer gewissen Würde): »Eine Stadt muss dem Feind so standhalten, dass er nicht über die Mauern steigt, aber wenn er's doch einmal tut, muss die Stadt in der Lage sein, ihm weiter standzuhalten und das Kreuz zu brechen. Wenn der Feind innerhalb der Mauern sofort ein Gassengewirr vorfindet, in das er eindringen kann, dann ist er nicht mehr zu fassen, der eine läuft dahin, der andere dorthin, und nach kurzer Zeit sitzen die Verteidiger in der Falle. Deshalb muss der Feind nach der Mauer einen offenen Platz vorfinden, auf dem er so lange ungedeckt bleibt, dass er aus den Gassen und aus den Fenstern mit einem Hagel von Pfeilen und Steinen empfangen und dezimiert werden kann, bevor er die Gassen erreicht.«
(Das ist es, warf Niketas traurig ein, was wir in Konstantinopel gebraucht hätten, statt dessen haben wir zugelassen, dass direkt unter den Mauern solch ein Gassengewirr entstanden ist ... Ja, hätte Baudolino ihm gern geantwortet,aber dazu braucht man auch Leute vom Schlag meiner Dörfler und nicht solche Angsthasen wie diese Schlappschwänze von eurer kaiserlichen
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