Baudolino - Eco, U: Baudolino
ist besonders schön für einen, der kein Adliger ist, dafür ist er sogar bereit, sich umbringen zu lassen, wenn's nötig ist (aber natürlich lieber nicht), damit seine Kinder rumlaufen und sagen können: Ich heiße Ghini, und auch wenn du Trotti heißt, bist du trotzdem ein Depp.«
Versteht sich, dass Niketas an diesem Punkt fragte, wie denn diese gesegnete Stadt hieß. Nun, wohlan (großes Erzähltalent, dieser Baudolino, dem es gelungen war, die Enthüllung bis zu diesem Moment in der Schwebe zu halten), die Stadt hatte noch keinen Namen, man nannte sie nur allgemein Civitas Nova, was bloß ein Gattungsname war, keiner des Individuums. Die Wahl des Namens hing davon ab, wie ein anderes Problem gelöst werden würde, das kein geringes war, nämlich das der Legitimation. Wodurch erwirbt eine neue Stadt Existenzrecht, wenn sie keine Geschichte und keinen Adel hat? Höchstens durch kaiserliche Ermächtigung, so wie der Kaiser jemanden zum Ritter schlagen kann, aber hier ging es um eine Stadt, die gegen den Willen des Kaisers entstanden war. Also was? Baudolino und Ghini kehrten in die Taverne zurück, als dort gerade alle genau über dieses Problem diskutierten.
»Wenn diese Stadt außerhalb des kaiserlichen Gesetzes entsteht, kann sie ihre Legitimität nur durch ein anderes Gesetz erhalten, das ebenso alt und mächtig ist.«
»Und wo finden wir das?«
»Nun, im Constitutum Constantini , in der Konstantinischen Schenkung, jener Donation, die Kaiser Konstantin derKirche gemacht hat, um ihr das Recht auf territoriale Herrschaft zuzusprechen. Wir schenken die Stadt ganz einfach dem Papst, und da es im Augenblick zwei Päpste gibt, schenken wir sie demjenigen, der auf der Seite des Gesetzes steht, also Alexander III. Wie wir schon in Lodi sagten, vor Monaten: Die Stadt wird Alexandria heißen und päpstliches Lehen sein.«
»In Lodi hättest du besser das Maul gehalten, denn wir hatten damals noch nichts entschieden«, sagte der Boidi, »aber das ist nicht der Punkt, der Name ist schön genug, jedenfalls ist er nicht hässlicher als viele andere. Was mir auf den Magen drückt, ist, dass wir uns den Arsch aufreißen, um eine Stadt zu bauen, und dann schenken wir sie dem Papst, der schon so viele hat. Am Ende müssen wir ihm auch noch Tribut zahlen, und dreh's, wie du willst, es ist immer Geld, das man berappen muss, und dann könnten wir's genauso gut auch dem Kaiser zahlen.«
»Boidi, red nicht immer so«, sagte der Cuttica. »Erstens will der Kaiser die Stadt gar nicht haben, nicht mal, wenn er sie geschenkt kriegen würde, und wenn er sie annähme, hätte sich's gar nicht gelohnt, sie zu bauen. Und zweitens ist es eine Sache, dem Kaiser keinen Tribut zu zahlen, der einen überfällt und in Klump haut, wie er's mit Mailand getan hat, und eine andere, dem Papst keinen Tribut zu zahlen, der tausend Meilen entfernt ist und bei all dem Ärger, den er hat, sicher kein Heer schicken wird, bloß um ein paar Kröten einzutreiben.«
»Und drittens«, mischte sich Baudolino ein, »wenn ihr mir auch was zu sagen erlaubt – ich bin hier nur reingeschneit, aber ich habe in Paris studiert, und wie man Briefe und Urkunden aufsetzt, darin habe ich eine gewisse Erfahrung –, man kann eine Schenkung so und so machen. Ihr verfertigt ein Dokument, in dem ihr erklärt, dass Alexandria zu Ehren von Papst Alexander gegründet und, sagen wir, dem Sankt Peter geweiht worden ist. Zum Beweis baut ihr eine Kathedrale für Sankt Peter auf lehnsfreiem Grund. Und ihr baut sie mit Geldern, die vom ganzen Stadtvolk gespendet werden. Dann macht ihr sie dem Papst zum Geschenk, mit allen Formeln, die euren Notaren als diepassendsten und verpflichtendsten erscheinen. Würzt das Ganze mit Ausdrücken der Verehrung, der Kindesliebe gegenüber dem Heiligen Vater und solchen Sachen, schickt ihm das Pergament und nehmt seine Segnungen an. Wer immer dann darangeht, das Pergament genauer zu studieren, wird sehen, dass ihr ihm letztlich nur die Kathedrale geschenkt habt und nicht die ganze Stadt, aber ich will den Papst sehen, der herkommt, um sich die Kathedrale zu holen und mit nach Rom zu nehmen.«
»Vortrefflich«, sagte Oberto, und alle stimmten zu. »Wir machen es so, wie Baudolino sagt, er scheint mir sehr schlau zu sein, und ich hoffe wirklich, dass er hierbleibt, um uns noch weitere gute Ratschläge zu geben, wo er doch auch ein großer Pariser Doktor ist.«
Hier musste Baudolino das heikelste Problem jenes schönen Tages lösen, nämlich
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