Baudolino
sie aufgebracht über die Art, wie der Papst den Kaiser behandelte. Die Krönung sollte an einem Sonntag stattfinden, und sie wurde an einem Samstag vollzogen, der Kaiser sollte am Hauptaltar gesalbt werden, und Friedrich wurde an einem Seitenaltar gesalbt, und nicht auf dem Kopf, wie es früher üblich war, sondern an den Schulterblättern, und nicht mit dem geweihten Salböl, dem Chrisma, sondern mit dem Öl der Katechumenen - du verstehst vielleicht nicht den Unterschied, ich habe ihn damals auch nicht verstanden, aber alle am Hof waren zornrot im Gesicht. Ich hatte erwartet, daß auch Friedrich toben würde wie eine Pantherkatze, aber er war dem Papst gegenüber die Höflichkeit selbst, und rot im Gesicht war eher der Papst, als ob er ein schlechtes Geschäft gemacht hätte.
Hinterher habe ich Friedrich ganz offen gefragt, warum die Barone gemurrt hatten und er nicht, und da antwortete er, ich müsse den Wert der liturgischen Symbole verstehen, bei denen genüge ein Nichts, um alles zu ändern. Ihm sei es wichtig gewesen, daß die Krönung stattfand und vom Papst vollzogen wurde, aber sie sollte nicht allzu feierlich werden, sonst hätte es bedeutet, daß er nur dank des Papstes Kaiser war, dabei war er
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es durch den Willen der deutschen Fürsten.
Ich sagte zu ihm, daß er schlau wie ein Fuchs sei, denn das sei gewesen, als ob er zum Papst gesagt hätte: Hör mal, Papst, du bist hier bloß der Notar, die Verträge habe ich mit dem Ewigen Vater geschlossen. Er lachte und gab mir einen Klaps und sagte: Bravo, du hast die richtige Art, die Dinge zu sagen.
Danach fragte er mich, was ich in Rom gemacht hatte während jener Tage, denn er war so beschäftigt mit den Zeremonien gewesen, daß er mich aus den Augen verloren hatte. Ich sagte, ich hätte mir angesehen, mit was für Festlichkeiten sie die Krönung gefeiert hätten. Es war nämlich so, daß den Römern, ich meine den Bewohnern von Rom, die Sache mit der Krönung in Sankt Peter nicht gefallen hatte, denn der römische Senat, der wichtiger als der Pontifex sein wollte, hatte Friedrich auf dem Kapitol krönen wollen. Das aber hatte Friedrich abgelehnt, denn wenn er bei der Rückkehr nach Deutschland gesagt hätte, er sei vom Volk gekrönt worden, dann würden nicht nur die deutschen Fürsten, sondern auch die Könige von Frankreich und England höhnisch sagen, na das ist aber eine schöne Salbung durch den heiligen Pöbel, während wenn er sagte, er sei vom Papst gekrönt worden, dann würden es alle ernst nehmen. Die Sache war aber noch komplizierter, und das habe ich erst hinterher begriffen.
Die deutschen Fürsten hatten seit einer Weile angefangen, von einer translatio imperii zu sprechen, womit sie sagen wollten, daß das Erbe der Römischen Kaiser auf sie übergegangen sei.
Wenn sich nun Friedrich vom Papst krönen ließ, dann hieß das soviel wie, daß sein Recht auch vom Stellvertreter Christi auf Erden anerkannt wurde, der dies ja auch dann wäre, wenn er nicht in Rom, sondern zum Beispiel in Edessa oder in
Regensburg residierte.
Ließ sich der Kaiser dagegen vom Senat und Populusque
Romanus krönen, dann hieß das soviel wie, daß das Reich noch immer in Rom beheimatet war und es keine translatio gegeben
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hatte. Pfiffig ausgedacht hatten sich das die Römer - bravo, Schlauberger, wie mein Vater Gagliaudo immer sagte.
Klar, daß Friedrich hierbei nicht mitmachen wollte. Deswegen sind die erbosten Römer dann, als das große Krönungsmahl im Gange war, über den Tiber gekommen und haben nicht bloß ein paar Priester umgebracht, was damals alle Tage vorkam,
sondern auch zwei oder drei Kaiserliche. Friedrich sah rot vor Wut, er unterbrach das Mahl und ließ sie alle abschlachten, danach schwammen im Tiber mehr Leichen als Fische, und am Ende des Tages hatten die Römer begriffen, wer der Herr war, aber als Fest betrachtet war es sicher keine sehr schöne Sache gewesen. Daher war Friedrich nicht gut auf jene italienischen Städte zu sprechen, und so kam es, als er Ende Juli vor Spoleto eintraf und Gastrecht verlangte und die Spoletaner allerlei Ausflüchte machten, daß er noch zorniger wurde als in Rom und ein Gemetzel veranstaltete, mit dem verglichen das hier in Konstantinopel bloß ein Kinderspiel ist...
Du mußt verstehen, Kyrios Niketas, ein Herrscher muß als Herrscher auftreten, ohne seine Gefühle zu schonen... Ich habe viel gelernt in jenen Monaten, nach Spoleto kam die Begegnung mit den Gesandten aus Byzanz in Ancona, dann
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