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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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berührt hätte. Mein Mund auf ihrer Hand hatte sie erzittern lassen, das wußte ich, aber das war ganz natürlich: Kein menschlicher Mund hatte sie jemals gestreift, es war für sie so gewesen, wie wenn sie im Wald über eine Wurzel gestolpert wäre und für einen Moment das
    Gleichgewicht verloren hätte; der Moment war
    vorübergegangen, sie dachte bestimmt nicht mehr daran... Ich diskutierte mit meinen Freunden über Fragen der Kriegführung, ich mußte entscheiden, wo die Nubier eingesetzt werden sollten, und ich wußte nicht einmal, wo ich selber stand. Ich mußte diese Angst überwinden, ich mußte es wissen. Um es in Erfahrung zu bringen, mußte ich mein und ihr Leben in die Hände von jemand legen, der die Verbindung zwischen uns hielt. Ich hatte schon viele Beweise für die Ergebenheit von Gavagai bekommen. Ich sprach heimlich mit ihm, ließ ihn viele Eide schwören, sagte ihm sowenig wie möglich, aber genug, um ihn an den See zu schicken und dort auf sie warten zu lassen. Der gute Skiapode war wirklich hilfsbereit, verständnisvoll und diskret. Er fragte nur wenig, ich glaube, er hatte viel verstanden. An den ersten zwei Tagen kehrte er abends zurück und sagte, niemand sei dagewesen, und es betrübte ihn sehr, mich erblassen zu sehen.
    Am dritten Tag kam er mit seinem charakteristischen Lächeln, das wie eine Mondsichel aussah, und sagte mir, während er selig
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    ausgestreckt im Schatten seines Fußes gelegen habe, sei jene Kreatur erschienen. Sie habe sich ihm vertrauensvoll und erleichtert genähert, als ob sie jemanden erwartet hätte. Sie habe meine Botschaft mit Erregung entgegengenommen (›Sie mir geschienen, sehr dringend dich sehen wolle‹, sagte er mit einer gewissen Verschmitztheit), und sie ließe mir mitteilen, daß sie jeden Tag an den See gekommen sei, jeden Tag (›Sie zweimal gesagt‹). Vielleicht erwarte ja auch sie seit langem die Magier, kommentierte er mit Unschuldsmiene. Am nächsten Tag mußte ich noch in Pndapetzim bleiben, aber ich versah meine Pflichten als Heerführer mit einer Begeisterung, die den Poeten erstaunte, der mich als einen dem Waffendienst eher Abgeneigten kannte, die sich jedoch ansteckend auf meine Armee auswirkte. Ich kam mir vor wie der Herr der Welt, ich hätte es furchtlos mit hundert Weißen Hunnen aufgenommen. Zwei Tage später kehrte ich
    zitternd vor Angst zu jenem schicksalhaften Ort zurück.«
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    34. KAPITEL

    BAUDOLINO ENTDECKT DIE
    WAHRE LIEBE
    »In jenen Tagen des Wartens, Kyrios Niketas, war ich von gegensätzlichen Gefühlen beherrscht. Ich brannte vor Begierde, sie wiederzusehen, ich fürchtete, sie nie wiederzusehen, ich sah sie umstellt von tausend Gefahren, mit einem Wort, ich machte alle Gefühle durch, die zur Liebe gehören, nur nicht die Eifersucht.«
    »Hast du nicht daran gedacht, daß die Große Mutter sie gerade jetzt zu den Befruchtern schicken könnte?«
    »Ein solcher Zweifel ist mir nie gekommen. Vielleicht dachte, ich, weil ich wußte, wie sehr ich inzwischen der ihre war, sie sei in solchem Grade die meine, daß sie es ablehnen würde, sich von anderen berühren zu lassen. Ich habe lange darüber
    nachgedacht, hinterher, und bin zu dem Schluß gekommen, daß vollkommene Liebe keinen Platz für Eifersucht läßt. Eifersucht ist Verdacht, Furcht und Verleumdung zwischen Liebenden, und der Apostel Johannes hat gesagt, daß die vollkommene Liebe alle Furcht vertreibt. Ich empfand keine Eifersucht, aber ich versuchte ständig, mir ihr Gesicht vor Augen zu halten, und es gelang mir nicht. Ich erinnerte mich an das, was ich empfunden hatte, wenn ich sie ansah, aber ich konnte sie mir nicht vorstellen. Dabei tat ich während unserer Begegnungen nichts anderes, als sie unverwandt anzusehen...«
    »Ich habe gelesen, daß es heftig Liebenden so ergeht...«, sagte
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    Niketas mit der Verlegenheit dessen, der eine so überwältigende Leidenschaft nie selber erfahren hat. »Ist es dir bei Beatrix und bei Colandrina nicht so ergangen?«
    »Nein, nicht in dem Maße, daß es mich so hätte leiden lassen.
    Ich glaube, bei Beatrix habe ich vor allem die Idee der Liebe kultiviert, ich brauchte kein reales Gesicht, und außerdem hätte ich es als Sakrileg empfunden, mir ihre körperlichen Züge vorzustellen. Was Colandrina betraf, so ist mir klargeworden -
    nachdem ich Hypatia kennengelernt hatte -, daß es bei ihr keine Leidenschaft war, sondern eher Freude, Zärtlichkeit, innigste Zuneigung, wie ich sie, Gott vergebe mir, für eine

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