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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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begrüßten.
    An der Stelle, wo der Kampf besonders blutig gewesen sein mußte, machte sich Baudolino daran, die auf dem Bauch
    liegenden Toten umzudrehen, immer hoffend und zugleich
    fürchtend, im schwachen Licht der Dämmerung die teuren Züge seines Kaisers zu entdecken. Er hatte die Augen voller Tränen und tastete sich fast blind voran, so daß er, als er aus einem Wäldchen kam, beinahe mit jenem großen weißroten
    Ochsenkarren zusammengestoßen wäre, der langsam das
    Schlachtfeld verließ. »Habt ihr den Kaiser gesehen?« rief er ebenso sinnlos wie rückhaltlos schluchzend hinauf. Die auf dem Karren lachten und sagten: »Ja, er war da unten in dem
    Gebüsch, um's mit deiner Schwester zu treiben«, und einer blies trötend in seine Trompete, so daß ein obszöner Ton herauskam.
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    Sie hatten das nur so hingesagt, aber Baudolino ging trotzdem auch in jenem Gebüsch nachsehen. Da lag ein Häuflein Toter, drei bäuchlings über einem vierten, der auf dem Rücken lag. Er hob die drei hoch, die ihm den Rücken zukehrten, und darunter erblickte er, mit rotem Bart, aber rot von Blut, Friedrich. Er sah sofort, daß er noch lebte, denn ein kaum hörbares Röcheln kam aus seinen halbgeöffneten Lippen. An der Oberlippe hatte er eine Wunde, die noch blutete, und auf der Stirn eine dicke Beule, die bis zum linken Auge reichte; die Hände hielt er beide vorgestreckt und in jeder einen Dolch - es sah ganz so aus, als hätte er, kurz bevor ihm die Sinne schwanden, es noch geschafft, die drei Elenden zu durchbohren, die sich auf ihn gestürzt hatten.
    Baudolino hob seinen Kopf an, wischte ihm das Blut vom
    Gesicht und rief seinen Namen, und Friedrich schlug die Augen auf und fragte, wo er sei. Baudolino tastete ihn ab, um herauszufinden, ob er noch an anderen Stellen verwundet war, und der Ärmste schrie auf, als er seinen Fuß berührte, vielleicht war er ja wirklich von seinem Pferd ein Stückweit mitgeschleift worden. Sanft auf ihn einredend, während der immer noch ganz Benommene abermals fragte, wo er sei, half Baudolino ihm auf die Beine. Da endlich erkannte ihn Friedrich und umarmte ihn.
    »Mein Vater und Herr«, sagte Baudolino, »steig du jetzt auf mein Pferd, du darfst dich nicht anstrengen. Aber wir müssen vorsichtig sein, obwohl es inzwischen dunkel ist, denn hier sind überall Truppen der Liga, und wir können nur hoffen, daß sie alle gerade in irgendeinem Dorf dabei sind, ihren
    überraschenden Sieg zu feiern, den sie, wie mir scheint, ohne Offensive errungen haben. Aber einige könnten noch
    hiergeblieben sein, um nach ihren Toten zu suchen. Wir müssen uns durch Wälder und Schluchten, abseits der Straßen, bis nach Pavia durchschlagen, wohin die Deinen sich jetzt
    zurückgezogen haben werden. Du kannst im Sattel schlafen, ich
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    werde aufpassen, daß du nicht runterfällst.«
    »Und wer paßt auf dich auf, daß du nicht im Gehen
    einschläfst?« fragte Friedrich mit einem gepreßten Lächeln.
    Dann fügte er hinzu: »Es tut weh, wenn ich lache.«
    »Ich sehe, es geht dir schon besser«, sagte Baudolino.
    Sie gingen die ganze Nacht lang, stolpernd im Dunkeln, auch das Pferd, zwischen Wurzeln und niedrigen Sträuchern
    hindurch, und nur einmal sahen sie in der Ferne einige Feuer und machten einen weiten Bogen, um sie zu vermeiden. Um sich wach zu halten, redete Baudolino im Gehen, und Friedrich hielt sich wach, um ihn wach zu halten.
    »Es ist aus«, sagte der Kaiser, »die Schmach dieser Niederlage werde ich nicht ertragen können.«
    »Es war bloß ein Scharmützel, mein Vater. Außerdem halten dich alle für tot, du kehrst zurück wie der auferstandene Lazarus, und was wie eine Niederlage aussah, wird allen als ein Wunder erscheinen, für das man ein Te Deum singt.«
    In Wahrheit versuchte Baudolino bloß, einen Verletzten und Gedemütigten zu trösten. An jenem Tag war das Prestige des Reiches böse beschädigt worden, von wegen Rex et Sacerdos!
    Es sei denn, Friedrich würde mit neuer Glorie umgeben wieder auf die Bühne treten. Und so konnte Baudolino nicht anders, als erneut an die Weissagung Ottos und den Brief des Priesters Johannes zu denken.
    »Die Sache ist die, mein Vater«, sagte er, »daß du aus dem, was passiert ist, endlich etwas lernen müßtest.«
    »Und was würdest du mir gern beibringen, Herr Gelehrter?«
    »Nicht von mir sollst du's lernen, Gott behüte, sondern vom Himmel. Du mußt dir zu Herzen nehmen, was Bischof Otto
    gesagt hat. In diesem Italien - je weiter du hier

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