Bauern, Bonzen und Bomben
schuld. Sie sind ja noch jung, ich rate Ihnen, ziehen Sie weg von hier. Hier haben Sie zuviel Geschichten gemacht.«
Stille. Tredup starrt. Tredup bewegt krampfhaft die Lippen.
Schließlich hört man: »Wenn ich als Annoncenwerber … Herr Gebhardt, wenn ich wenigstens wieder als Annoncenwerber …«
Aber Trautmann greift ein. »Sie wissen doch selbst, Tredup, daß das nicht geht. Erst das Gerede wegen der Bilder und dann die Untersuchungshaft. Gut, Sie waren unschuldig, aber etwas bleibt immer hängen. Die Leute mögen so was nicht. Und nun dies. Tredup, ich hab Ihnen immer hier das Wort geredet, Sie wissen, ich bin’s gewesen, der dem Chef gesagt hat, er soll es mit Ihnen versuchen statt mit Stuff. Sie sind dabeigewesen. |541| Wenn ich Ihnen sage, es geht nicht, verschwinden Sie, dann verschwinden Sie wirklich am besten …«
Tredup schluckt. Er bewegt etwas die Schultern. Dann bittet er leise: »Mein Gehalt …«
Aber nun wird Trautmann böse. »Ihr Gehalt? Heute ist der Dritte, das sind zweieinhalb Tage. Zweihundert kriegen Sie. Bei fünfundzwanzig Arbeitstagen macht das acht Mark auf den Tag. Sind netto zwanzig Mark. – Und wenn wir nun Schadenersatz fordern? Wo Sie der ›Chronik‹ solchen Schaden getan haben?! Nein, Tredup, unverschämt dürfen Sie nun nicht werden. Seien Sie froh, daß Herr Gebhardt so milde mit Ihnen verfährt. Andere Chefs würden klagen und klagen. Sie sollen ja noch das Geld von den Bildern haben. Wenn wir nun pfänden bei Ihnen …?«
Tredup steht einen Augenblick mit gesenktem Gesicht, hängenden Armen. Dann sagt er ganz überraschend, leise: »Guten Abend«, dreht sich um und ist fort.
Die drei Herren bewegen sich.
Der Chef sagt rasch und gepreßt: »Trautmann, gehen Sie ihm nach. Geben Sie ihm hundert Mark.« Nach einer Pause: »Fünfzig Mark.«
Trautmann sagt gemächlich: »I wo! Geld wegschmeißen? Haben wir grade nötig. Aber so sind Sie, Herr Gebhardt, wenn jemand auf die Tränendrüsen drückt, werden Sie weich. Der Tredup frißt sich schon durch. Unkraut vergeht nicht.«
5
Als Tredup aus der Tür der »Nachrichten« tritt, steht Elise auf der Straße. Sie nimmt ihn am Arm, sie wirft nur einen raschen Blick auf sein Gesicht, sie sagt: »Komm man, Max.«
Sie biegen in den Burstah ein, schweigend gehen sie ihn entlang, folgen dann der Stolper Straße. Langsam gehen sie weiter, er sieht vor sich hin, sie spricht nichts.
Nur, sie hat seine Hand durch ihren Arm gezogen, hält sie in |542| der ihren, streichelt sie rasch und aufmunternd. Sie gehen langsam, man sieht der Frau schon gut an, daß sie schwanger ist.
Dann stößt Elise mit dem Fuß das Gatter auf, sie gehen über den Hof, er läßt mechanisch ihren Arm los, nimmt die Schlüssel aus der Tasche, schließt auf. Er geht grade auf den Tisch zu, setzt sich daran, wie er ist, in Hut und Mantel, und starrt vor sich hin.
Sie sagt: »Hans ist noch zum Turnspielen. Und Grete wird bei ihrer Freundin sein, die fangen jetzt schon an für Weihnachten zu arbeiten.«
Er schweigt.
Sie sagt: »Am besten ist es, wir ziehen nach Stargard. Dort habe ich meine Schwester Anna. Und die Eltern sind auch bei der Hand. Die können auch mal helfen. Wo wir sie all die Jahre um nichts gebeten haben.«
»Die Bauern!« sagt er böse. »Die Bauern werden uns grade helfen.«
»Dann sehen wir, daß wir ein Geschäft kriegen. Ich bin gar nicht so für Zigarren, die Leute rauchen immer weniger, wo das Geld so knapp ist. Ich habe an Lebensmittel gedacht.«
»Mit unsern paar Kröten!« höhnt er.
»Wir fangen eben ganz klein an. Die Grossisten geben auch ein bißchen Kredit. Es wird schon gehen. Man muß nur erst anfangen.«
»Nein. Nein. Nein«, schreit er. »Ich fange nicht wieder an. Hundertmal habe ich angefangen und bin nur tiefer in den Dreck gekommen. Wievielmal habe ich gehofft und hab mir Mühe gegeben, und immer nichts. Aus uns wird nichts, Elise. Es hat keinen Zweck, sich abzustrampeln.«
Sie streichelt sein Haar. »Natürlich bist du jetzt traurig. Und es ist gemein von denen, von denen allen, daß sie dich so im Stiche lassen, wo du ihnen immer gefällig gewesen bist.
Aber du mußt jetzt nicht übertreiben, Max. Wir haben doch die Kinder schön großgekriegt, und Grete hilft mir schon viel, und Hans ist auch ganz vernünftig. Und ’ne gute Kindheit haben sie auch gehabt. Die hast du ihnen doch verschafft, Max.«
|543| »Nein, Elise, du …«
»Du, Max! Denk doch an andre Familien, wo der Vater säuft oder liederlich
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