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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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das Dunkel des Vorzimmers, auf den Gang: »Piekbusch! Piekbusch!«
    |593| Dann besinnt er sich.
    Er stampft schwer gegen den Schreibtisch zurück, fällt keuchend in seinen Sessel.
    Der Geheimbefehl …
    Heute ausgesagt, in die Tinte gerast bis über die Ohren. Da liegt es nun, das wichtige Dokument.
    Gareis versucht eine Zigarre in Brand zu stecken, aber seine Hände zittern, die Streichhölzer knicken, das Dings kohlt.
    Mit mahlenden Kiefern kaut er auf der Zigarre herum, greift mit der bebenden Hand von neuem nach dem Befehl, liest ihn.
    Geheimbefehl – es ist zum Lachen. Was für ein phantasievoller Idiot ist er gewesen, nicht gleich zu erraten, daß dies nichts war wie Verwaltungskram, Wichtigtuerei eines blöden Militärbürokratismus.
    »… und werden Sie mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß nach Möglichkeit vor etwaigem Gebrauch der Schußwaffen das hiesige Kommando unbedingt in Kenntnis zu setzen ist …«
    So siehst du aus! Nach Möglichkeit unbedingt in Kenntnis zu setzen ist … Und ich habe an hohe Politik geglaubt! Ich habe an Sondermaßnahmen geglaubt! Ich habe nicht daran gedacht, daß die schon Sondermaßnahmen treffen, aber sie sicher mir nicht schriftlich geben.
    Nach einer Pause, wutknirschend:
    Und wie ein Affe habe ich vor denen gestanden und habe ihnen meine Doofheit vorgeplärrt! Klein gemacht habe ich mich. Weinerlich haben sie mich gesehen. Verlegen bin ich gewesen wie ’ne Jungfer, der einer in den Busen glotzt – o Gareis, Gareis, Gareis, ich bin zum Speien!
    Er steht wieder auf, er rennt im Zimmer hin und her, er beglotzt wütend die Wände. Dann jagt ihn der Hunger nach einem Menschen, dem er alles über sich sagen kann, wieder auf den Gang, er reißt die Tür zu Assessor Steins Zimmer auf, brüllt: »Stein! Assessor! Mensch!«
    |594| Ruhe. Stille.
    Er wendet sich zurück. Und sieht, auf dem Gang stehend, wie es im Treppenhaus hell wird, Stimmen werden laut.
    Mit einem Satz ist er in seinem Zimmer, durch einen Türspalt späht er.
    Drei Gestalten nahen.
    Er schließt die Tür vorsichtig. Ist mit ein paar Schritten in seinem Schreibtischsessel. Stopft den Geheimbefehl mit Umschlag in die Tasche. Hat den Riesenbleistift in der Hand, weißes Papier vor sich. Drei, vier Bücher aufgeschlagen um sich gruppiert.
    Als die klopfen, sagt er ruhig: »Herein!«
    Sogar die Zigarre brennt jetzt.

    9

    Die drei, die eintreten, sind alte liebe Genossen von ihm: der Stadtverordnete Geier, der Parteisekretär Nothmann und am Ende das große Tier der Provinz aus Stettin, der Reichstagsabgeordnete Koffka.
    Sie treten sehr sachte herein, und die Blicke, die sie auf ihn werfen, sind nicht so siegesbewußt, wie sie sein müßten.
    »Nett, daß ihr kommt«, sagt anerkennend Gareis. »Wollt ein altes Arbeitstier vom Schreibtisch lotsen. Mir ist’s recht. Also trinken wir ein Bier im Tucher.«
    Er sieht, wie sie schaudern bei dem Gedanken, öffentlich mit ihm heute im Lokal sitzen zu müssen, und grinst.
    »Nee, Genosse Gareis«, sagt der Abgeordnete Koffka, »nach Bier ist uns nicht zumute, und nach Sitzen mit dir im Lokal ist uns auch nicht zumute. Aber eine Zigarre darfst du uns immerhin anbieten.«
    Der Bürgermeister tut es und sagt beiläufig: »Blühend siehst du aus, Koffka. Die Schwatzbude in Berlin bekommt dir.«
    »Du, Genosse Gareis«, sagt der Abgeordnete grämlich, »sorgst schon dafür, daß das bißchen Gesundheit wieder vor |595| die Hunde geht. Ich habe heute früh in eurer hübschen Turnhalle gesessen, ich habe dich da gesehen vor den Richtern, eine nette Figur hast du gemacht, Gareis!«
    »Findest du?« sagt der Bürgermeister gleichmütig. »Du hast natürlich nie einen Brief verschusselt, Koffka, und dich dann hingestellt und getan, als wär er längst beantwortet.«
    »Es handelt sich nicht um mich und was ich getan und was ich nicht getan habe«, sagt verärgert der Koffka. »Es handelt sich darum, was du gemacht hast. Und einen schönen Mist hast du gemacht, Gareis, das kann man wohl sagen, und eine nette Schmach bist du für die Partei.«
    »Ich«, sagt der Bürgermeister und betrachtet nachdenklich den Brand der Zigarre, »bin der Ansicht, daß dies mein Amtszimmer ist. Und daß ich jeden, der mir hier dämlich kommt, eigenhändig achtkantig aus der Tür schmeiße.«
    »Das kannst du, Gareis«, sagt der andere nicht weniger ruhig. »Dazu bist du körperlich und seelisch völlig in der Lage. Es fragt sich nur, ob damit die Sache weitergedeiht. Immerhin bist du heute ziemlich

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