Bauern, Bonzen und Bomben
möglich. Du hast ja keine Ahnung, Gareis, wie unbeliebt du bei den Genossen bist. Du bist groß und stark, du knöpfst dir einen einzelnen vor und redest ihm ein Loch in den Bauch. Und weil der ja zu dir sagt, denkst du, er meint wirklich ja.
|598| Dann gehen sie von dir weg, und hinter deinem Rücken schreien sie dreimal nein, zehnmal nein und nennen dich Mussolini.
Das geht, solange du erfolgreich bist. Aber es versagt in der Sekunde, wo sie dich mal schwach sehen. Hast du die Zeitungen von heute gelesen?«
»Nein. Noch nicht. Interessiert mich auch nicht.«
»Es ist ja eigentlich ganz überflüssig, daß wir heute gekommen sind. Du bist tot. Du hast dich selber abgekehlt. Wir wollen nur, daß du ohne Krach gehst. Also sei vernünftig, schreib um deine Entlassung.«
»Ich will dir was sagen, Koffka«, sagt der Bürgermeister, »du siehst jetzt schwarz. Dir ist mies. Kann ich verstehen, mir war auch mies heute früh. Dann bin ich über Land gegangen, spazieren, mich auslaufen. Und da bin ich mit den Bauern ins Gespräch gekommen.
Die reden mit mir, Koffka. Ich bin heute der einzige Mann, der die Stadt aus dem Boykott retten kann. Die haben mir Verhandlungen direkt angeboten. Was soll aus Altholm werden, wenn der Boykott über den Winter geht?
Gib mir noch ein halbes Jahr. Dann will ich dir zeigen, was ich geschafft habe. Dann setzen wir uns wieder zusammen, und wenn du dann noch willst, daß ich gehe, dann hau ich ab ohne ein Wort.«
»Seht ihr«, sagt der Abgeordnete und nickt den andern zu, »da habt ihr den ganzen Gareis. Eben im Gerichtssaal hat ihm der Vertreter der Bauern eins aufs Dach gegeben, hat ihn reingeritten, und da geht er fröhlich hin und knüpft Verhandlungen an mit denselben Bauern.
So solo. Ganz für sich. Die Partei fragen, das hat der Gareis doch nicht nötig.
Ich sage dir aber, die Bauern gehen uns einen Dreck an. Das ist uns piepe, ob die einen Boykott haben. Was geht das die Arbeiter an! Haben Arbeiter Läden, in denen die Bauern nichts mehr kaufen? Du besorgst die Geschäfte von den Bürgerlichen, von den Bauern, nächstens wirst du Nachtmärsche |599| für den Stahlhelm organisieren und Hakenkreuzumzüge für Hitler, und dann wunderst du dich, wenn die Partei unzufrieden mit dir ist!«
»Du bist ein Arschloch«, sagt Gareis grob, aber nicht unzufrieden. »Selbst in deinem Parteischädel hat es wohl schon gedämmert, daß, wenn es den Bürgern dreckig geht, auch die Arbeiter nichts zu lachen haben.«
»Wie wäre es, Gareis, wenn wir jetzt Schluß machten? Es hat alles keinen Sinn. Du schreibst dein Abschiedsgesuch. Entlassung aus den städtischen Diensten. Sofort.«
»Nein«, sagt Gareis fest.
Koffka strafft sich. »Dann veröffentlichen morgen früh sämtliche Parteiblätter deinen Ausschluß aus der Partei.
Dann sorgen wir dafür, daß die Sache mit dem Geheimbefehl weiterverfolgt wird.
Dann wird die Fraktion der SPD im Stadtparlament deine Entlassung aus städtischen Diensten beantragen.
Dann wird von der Regierung ein Disziplinarverfahren gegen dich eingeleitet.
Dann bist du völlig erledigt.
Dann kriegst du überhaupt keine Arbeit im Leben wieder, die sich lohnt.«
Die vielen harten Dann klingen wie ebensoviel harte Hammerschläge, die sein Werk zerschlagen, in Gareis’ Ohren.
Er steht auf und ruft verzweifelt: »Aber so bleibt mir auch keine Arbeit! Ich bin ja nutzlos! Was soll ich dann noch?«
»Ich habe den Auftrag«, sagt der Reichstagsabgeordnete Koffka, »dir sofort nach Unterzeichnung deines Abschiedsgesuches deine Berufung zum Bürgermeister von Breda zu überreichen.«
»Was ist denn das?« sagt der Bürgermeister mißtrauisch. »Breda? Nie gehört.«
»Breda ist eine Stadt an der Ruhr. Einundzwanzigtausend Einwohner. Nur Hütten- und Zechenarbeiter. Arbeit. Arbeit. Arbeit. Nichts ist bisher geschehen.«
|600| »Und wer ist der erste Bürgermeister?« fragt Gareis.
»Du fällst die Treppe hinauf. Du bist der erste und der zweite und der dritte. Alles. Das Stadtparlament ist SPD und KPD und ein paar Zentrum, die keine Rolle spielen. Arbeiten kannst du da.«
Der Bürgermeister sieht beunruhigt aus. »Zeig den Wisch mal her.«
»Wenn du unterschrieben hast.«
Gareis geht auf und ab. Dann seufzt er schwer, setzt sich an den Schreibtisch und schreibt los. Er löscht sorgfältig ab und reicht den Brief an Koffka weiter.
»Schreib noch einen Umschlag, Gareis. Ich besorg dann morgen den Brief selbst, damit du es nicht vergißt.«
»So. Und nun gib die
Weitere Kostenlose Bücher