Bauern, Bonzen und Bomben
dann etwas, was der Inserent selbst nicht zu Gesicht bekommt. Wir verderben uns sonst die Preise. Nehmen wir Ford, die haben keinen Vertreter hier.«
Der Chef ist einverstanden. »Übrigens, Herr Trautmann, mit der ›Chronik‹ ist es nun auch soweit. Der Kauf ist perfekt. Schabbelt hat heute nacht unterschrieben.«
»Was für Bedingungen?«
»Nichts haben wir konzediert. Ich bitte Sie, wo ihm das Wasser so weit steht! Er kann froh sein, wenn ich ihm die Wohnung lasse.«
Und Trautmann: »Außerdem ginge es nicht ohne Wohnungsamt, ihn hinauszusetzen.«
»Eben. Was machen wir nun? Bestellen wir Stuff her?«
»I wo. Der kann uns kommen.«
»Wir behalten ihn doch?« erkundigt sich der Chef.
»Natürlich behalten wir ihn. Keiner hat so viel Verbindungen hier. Und er kann schreiben.«
»Wieviel Gehalt meinen Sie, Trautmann?« fragt ängstlich der Chef.
»Bisher hat er, glaube ich, fünfhundert bekommen.«
»Fünfhundert! Was denken Sie sich denn! Fünfhundert trägt die ›Chronik‹ nie.«
»Nein. Vielleicht trägt sie es, aber jedenfalls geben wir das dem Stuff nicht. Dreihundertundfünfzig und, damit wir ihm die Pille versüßen, zwanzig Mark Spesen im Monat.«
»Aber wenn er dazu nicht abschließt?«
»Was will er machen? Er ist bald fünfzig und geht nicht mehr aus Altholm fort.«
»Jedenfalls muß alles so gemacht werden, daß die Leute nicht merken, daß uns jetzt die ›Chronik‹ gehört. Das schadet sonst dem Absatz.«
|148| »Nein, eben. Aber dem Heinsius und dem Blöcker müssen wir es sagen.«
»Meinen Sie? Wollen Sie das tun, oder tu ich es?«
»Natürlich Sie! Sie haben die Zeitung doch gekauft.«
»Also, Herr Trautmann, rufen Sie dann die beiden. – Bitte.«
»Gut. Ich schicke sie Ihnen.«
Heinsius, der Hauptschriftleiter der größten Zeitung Altholms, ein großer kahlköpfiger Mann in einem Lüsterjackett, kommt zuerst gestürmt, ein paar Druckfahnen in der Hand.
»Guten Morgen, Herr Gebhardt! Gut geruht? Gut geruht? Wir haben da heute eine lokale Spitze zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum der Glaserinnung … Ich habe einige Worte geschrieben, im vaterstädtischen Interesse … Wenn Sie hören möchten, wenn Sie Zeit haben …«
»Nicht jetzt. Was macht die Bauerndemonstration?«
»Die Bauern!« Heinsius ist Verachtung. »Ich bitte Sie, die Bauern demonstrieren doch nicht. Wo der Reimers in Stolpe ist. Sie wissen doch, daß der Reimers nach Stolpe ist?«
»Ja. Aber der Oberbürgermeister ist heute früh verreist, auf drei Tage, höre ich …«
»Und …?«
»Ob da nicht was im Busch ist? Ob er sich nicht drücken will?«
»Glauben Sie, Herr Gebhardt? Ich werde mich erkundigen, werde horchen. Und wenn – werde ich etwas schreiben, etwas Bissiges, Satirisches. Wir hier werden es Herrn Oberbürgermeister Niederdahl schon nicht vergessen, daß er Sie nicht zum Festessen bei der Einweihung des Säuglingsheimes eingeladen hat.«
»Er hat es vielleicht doch vergessen?«
»Er hat es nicht vergessen. Mir ist hinterbracht … Nein, ich sage es doch lieber nicht, es ist zu häßlich …«
»Was denn nun schon wieder! Nein, bitte, sagen Sie es gleich. Ich kann diese Andeutungen nicht vertragen. Reden Sie schon.«
»Er soll gesagt haben, ich weiß es aus bester Quelle, daß |149| der Gebhardt, und wenn er hundert Zeitungen kauft, ein kleiner Mann bleibt, der gerne groß sein möchte.«
»Das ist …! Zu wem hat er das gesagt?«
»Ich habe zwar mein Ehrenwort gegeben, den Namen nicht zu nennen, aber das gilt natürlich nicht für Sie.«
Und der Zeitungskönig, gequält: »Sagen Sie es doch schon!«
»Stadtrat Meisel.«
»Gut. Wir werden uns das merken. Dieser Akademikerdünkel! – Herr Heinsius, wir kommen in eine immer schwierigere Lage. Die Politik von Niederdahl können wir nach all den Kränkungen, die er mir angetan, unmöglich unterstützen. Mit dem roten Gareis können wir nicht gehen, sonst springen unsere Inserenten, die Mittelständler, ab, und den Mittelstand können wir unmöglich vertreten, weil die Mehrzahl unserer Abonnenten Arbeiter sind. Was machen wir bloß?«
Der Hauptschriftleiter tröstet: »Wir winden uns durch. Von Fall zu Fall. Überlassen Sie das mir. Ich habe das im Gefühl. Ich stoße nirgends an. Und die Spitze heute gegen den Niederdahl – ich werde mich erkundigen, warum er verreist ist. Wenn aus Verantwortungsscheu, dann soll er was erleben!«
»Erkundigen Sie sich bei Stuff. Der weiß alles.«
»Bei Stuff …? Außerdem weiß er längst
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