Bauern, Bonzen und Bomben
nicht alles.«
»Doch! Bei Stuff.«
»Sie meinen doch Stuff von der ›Chronik‹?«
»Eben.«
»Aber Herr Gebhardt!«
»Herr Stuff ist ab heute mein Angestellter.«
»Ihr …? So ist …?«
»Die ›Chronik‹ ist heute nacht in meinen Besitz übergegangen.«
Die Fahnen flattern zu Boden. Heinsius hebt die Arme, die stets geröteten Augen zum Himmel. »Herr Gebhardt! Herr Gebhardt! Daß ich das erlebe! Die Konkurrenz ist besiegt. Stuff ist unser Angestellter! Herr Gebhardt! Ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen. Unser Angestellter Stuff …«
|150| Er schüttelt dem Chef immer wieder die Hand.
»Aber es bleibt geheim, Herr Heinsius. Das Publikum erfährt vorläufig nichts. Es könnte dem Absatz der ›Chronik‹ schaden, die natürlich streng rechts bleibt.«
»Geheim? Das ist schade. Immerhin, man wird dem Stuff Anordnungen geben können. Sein Material dürfen wir verwerten. Er kommt zwei Stunden früher heraus. Ich schneide ihn ab heute ständig aus. Und wir schicken ihn vor. In allen bedenklichen Fällen …«
Heinsius ist in einem Taumel des Entzückens. Er schwelgt in Träumen. »Ich werde es ihm anstreichen, dem Stuff, daß er auf dem letzten Michaelismarkt zweihundert Exemplare von meinem Roman ›Deutsches Blut und deutsche Not‹ mit fünfzig Pfennigen verramschen ließ.«
Gebhardt räuspert sich. »Immerhin werden wir sachlich bleiben. Sie sind jetzt Kollegen, die nur den Vorteil des Betriebes im Auge haben.«
»Ihren Vorteil, selbstverständlich, Herr Gebhardt. Bei mir kommen nur sachliche Erwägungen in Frage. Sie werden sehen, welchen neuen Aufschwung jetzt die ›Nachrichten‹ nehmen.«
»Sagen Sie auch vertraulich dem Blöcker Bescheid. Warum ist er übrigens nicht gekommen, der Blöcker? Er kommt etwas selten zu mir. Ich sehe meine Herren gerne täglich.«
»Ich weiß nicht. Er hatte da jemanden sitzen in seinem Zimmer. Immerhin. Sie wissen ja, er sollte nicht so viel abends ausgehen, Herr Gebhardt, in seinen Gesangverein. Ein Redakteur führt kein Privatleben.«
»Blöcker trifft ja heute irgendwo sicher den Stuff. Er soll ihn zu acht hierherbestellen. Der Stuff wird schon wissen, warum. Er soll durch den Hofeingang kommen, damit die Leute nichts merken.«
»Jawohl, Herr Gebhardt.«
»Und die Spitze gegen den Ober lassen Sie heute noch. Wir wollen erst die Bestätigung abwarten.«
»Ich erkundige mich schon.«
|151| »Gut. Und jetzt rufen Sie mir Trautmann.«
Trautmann kommt. Der Chef, ihm entgegen: »Hören Sie zu, Trautmann, Sie haben mich eingeführt in den Zeitungsbetrieb. Sie haben mich vom ersten Tage an beraten. Eben erzählt mir das Klatschweib, der Heinsius, der Ober hätte von mir gesagt, ich bliebe ein kleiner Mann und wenn ich hundertmal groß sein wollte. Wie erledigen wir den Ober?«
»Den kriegen wir auch noch. Aber zu wem soll er das gesagt haben? Dem Heinsius darf man auch nicht alles glauben.«
8
Als Stuff gegen halb zwölf Uhr aus dem Rathaus auf den Marktplatz tritt, herrscht dort nicht mehr der gewöhnliche spärliche Vormittagsverkehr mit wenigen Fußgängern und ein paar Autos, die auf dem Wege von Stettin nach Stolpe die Stadt eilig durchqueren.
Überall stehen Gruppen von Menschen, und ihre Kleidung, die Art, sich bedachtsam mit schweren Knochen zu bewegen, laut und langsam zu reden, läßt sie als Bauern erkennen, selbst wenn Stuff nicht ein ganz Teil von ihnen bei Namen rufen könnte.
Aber er hat jetzt keine Lust, einen anzusprechen, er ist müde und lebenssatt, die Freundschaftsversicherungen mit dem dicken Schmuser, dem Gareis, kotzen ihn an. Er sehnt sich nach dem dunklen Winkel bei Tante Lieschen, nach Bier und Schnaps, nach Vergessen.
Im Weitertrotten denkt Stuff: Ich werde doch mal hingehen, wenn die Bauern demonstrieren. Man kann nie wissen. Um drei soll er losgehen, der Zug, das sind noch vier Stunden. Da läßt sich noch was saufen. Und jetzt sehe ich mir erst mal die Aushängebilder am Ostseekino an, damit ich noch meine achtzehn Zeilen Kritik zusammenphantasieren kann über den neuesten Film.
Vor den Bilderkästen steht ein bekannter Rücken. »Blöcker, |152| was machst du hier? Altes Aas, gestern auch nicht im Kino gewesen?«
Die feindlichen Kollegen von »Nachrichten« und »Chronik« schütteln sich die Hände.
Zeitungen mögen sich befeinden, Zeitungsbesitzer mögen einander anspeien, Chefredakteure mögen sich hassen: Unzerstörbar ist die Freundschaft zwischen Lokalreportern. Sie tauschen Nachrichten untereinander aus, sie
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