Bauern, Bonzen und Bomben
ihn wie einen Hund.
Manche von den Bauern haben einfach am Tor geklingelt und haben den Reimers zu sprechen verlangt. Andere haben auf dem Platz gestanden und haben hinübergeschaut, wo sich jenseits der hohen roten Mauer die graue Zementfassade des Gefängnisses auftürmt, eine glatte, trostlose graue Wand, nur gegliedert von dem Einerlei der Gitterlöcher.
|166| Sie haben davon gesprochen, hinter welchem dieser Hunderte von Löchern der Franz wohl sitzen mag. Dann hat das Gefängnistor geknarrt, und ein Beamter ist herausgekommen, mit seinem Kaffeetopf unterm Arm, nach beendigtem Dienst, oder so ein blasser, halbverhungerter Gefangener mit einem Pappkarton, in dem er wohl seine sieben Zwetschgen hat, am Bändel.
Jetzt ist wieder eine Gruppe von Bauern da, die stehen stumm und sehen nach der grauen Wand hin. Es sieht alles so tot aus, unmöglich sich vorzustellen, daß darin Leben ist, hinter jedem Loch ein Mensch, der in die Freiheit will.
Die großen Schlösser am Tor krachen, die Bauern sehen sich um. Es kommt ein Mann heraus, ein großer starkknochiger Mann in Manchester mit geschmierten Schuhen. Er redet noch ein paar Worte mit dem Wachtmeister, der ihn hinausläßt. Dann geht das Tor zu, und der Mann steht da mit seinem braunen Pappkarton an der Schnur und sieht auf den weiten Platz, der blendend in der grellen Julinachmittagssonne liegt.
Er schiebt das Paket unter den Arm, macht ein paar Schritte, schaut sich um und bemerkt die Bauern. Er zögert wieder, dann geht er piel auf sie los.
»Tach ook, ji Buern«, sagt er und zieht an der Mütze. »Braucht keiner von euch einen Dienstknecht?«
Die Bauern betrachten ihn stumm.
»Es ist nicht«, sagt der Große, Starkknochige, »daß ich nicht arbeiten kann. Ich hab vorgemäht im Wickgemenge beim Grafen Bandekow und trage meine zwei Zentner auf den Boden wie ’nen Klacks.«
Die Bauern sagen nichts.
»Daß ich geklaut habe«, sagt der Mann, »das ist nicht an dem. Ich klaue nicht. Es war wegen einem kleinen Mädchen. Sie wollte. Aber weil zufällig Leute dazukamen, fing sie an zu kreischen. Und da mußte sie ja dabei bleiben, daß ich ihr Gewalt angetan hätte.«
»Da bist du«, fragt der Bauer Banz, »wohl lange im Kittchen gewesen?«
|167| »Es geht an«, sagt der Mann. »Neun Monate. Wie ist’s, will keiner von euch einen starken Mann haben zur Roggenernte?«
»Da kennst du wohl alle drinnen im Bau?« fragt wieder Bauer Banz.
Der Mann lacht schallend. »Alle kennen? Na, du bist gut. Die von meiner Station, und auch die noch nicht mal alle.«
»Ich weiß nicht Bescheid von solchen Dingen«, sagt der Bauer verlegen. »Aber kennst du wohl einen Franz Reimers?«
»Reimers?« fragt der Mann. »Warte mal. Da waren so viele. Lange ist der nicht drin gewesen, was?«
»Ist er denn nicht mehr drin?«
»Jetzt weiß ich. Das ist so ein Langer, bartlos, schon mit grauem Haar?«
Die Bauern nicken eifrig.
»Der hat irgend etwas gemacht, mit Steuern, er hat es mir erzählt in der Freistunde. Es war etwas mit Ochsen, was?«
Die Bauern nicken eifrig. »Das ist er«, sagt Banz.
»Ja, liebe Leute. Der Mann ist aber weg. Der ist nicht mehr hier. Der ist in Stolpe.«
»Weißt du das sicher?« fragt nach einer Weile des Schweigens Banz.
»Wenn ich es dir sage«, widersetzt der Lange. »Er hat in der Zelle neben mir gelegen, noch vor einer Woche. Dann kam er nach Stolpe.«
»Hat er es dir gesagt, daß er nach Stolpe geht?« fragt wieder Banz.
»Sie wollen mich befragen in Stolpe, hat er gesagt, weil es in Stolpe geknallt hat. Dabei war ich schon drin, hat er gesagt, als es knallte.«
Die Bauern sehen sich untereinander an, auf den Langen, auf die graue öde Zellenwand.
In diesem Augenblick kommt von dort oben ein Geräusch. Eines der Klappfenster hat sich schräg gestellt, ist aufgegangen. Etwas Weißes erscheint: eine Hand, die von drinnen um |168| die Gitterstäbe faßt. Etwas größeres Weißes, etwas rundes Weißes: in der Ecke, gegen die Wand gepreßt, ein Gesicht.
Sie sehen es deutlich, die Bauern, von unten: Ein Loch tut sich im Weißen, Runden auf, ein kleines schwarzes Loch, und nun schreit es zu ihnen herunter, eine grelle, atemlose Stimme: »Helft mir, ihr Bauern! Sie bringen mich um! Helft, ihr Bauern!«
Die Bauern machen einen hastigen Schritt gegen die Umfassungsmauer, dann sehen sie auf den Langen – von oben gellt weiter die Stimme um Hilfe –, auf den Langen, der fassungslos glotzt.
»Was ist das?« schreit Banz. »Du Räuber, ich frage
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