Bauern, Bonzen und Bomben
wollen doch beide nicht, daß in unserer Vaterstadt was passiert?«
»Das wollen wir nicht.«
»Also, Vadder Benthin, kommen Sie, wir geben uns hier offen die Hand darauf, daß wir alles tun wollen, damit es glattgeht.«
»Das kann ich wohl versprechen. Wir Bauern machen keinen Stank.«
»Und wenn Sie was hören, Herr Benthin, daß es nicht glattgeht, daß da welche sind, die wollen stänkern, dann kommen Sie zu mir. Dann machen wir es ohne Aufheben schlicht, daß kein Krach wird.«
»Das kann ich sagen. – Wenn ich Sie finde.«
»Also«, sagt Oberinspektor Frerksen und atmet tief auf, »also haben wir uns hier unser Versprechen gegeben als Altholmer und wollen’s halten. Für unsere Vaterstadt.«
»Woll, woll, Herr Oberinspektor. Und nun laufen Sie nicht mehr so in der Sonne rum, das bekommt Ihnen nicht. Trinken Sie ein Bier, das kühlt schön ab. Herrgott, Mann, was schwitzen Sie!«
»Also denn alles Gute, Herr Benthin!«
»Auf Wiedersehen, Herr Oberinspektor!«
|164| 12
Es ist die ruhige Stunde im Zentralgefängnis Altholm, mittags eine Weile nach dem Essen. Die Eisenstege in den ungeheuren fünfstöckigen Schächten der vier Zellengefängnisflügel liegen verödet da. Der Hauptwachtmeister sitzt in seinem Glaskäfig und schreibt, jetzt hebt er nicht den Blick. Um diese Stunde ist nichts zu beaufsichtigen in all den Gängen, die man von seinem Bauer aus übersehen kann: Das Gefängnis schläft.
Aus der Wachtmeisterstube von Station C 4 kommt sachte ein Wachtmeister gegangen. Er bleibt ein Weilchen am Gitter seines Steges stehen, schaut in den Schacht hinunter, nach dem Hauptwachtmeister hin. Nichts rührt sich.
Er steht da, er ist kalt entschlossen, auch wenn der Hauptwachtmeister aufsieht, wird er in Zelle 357 gehen. Hilfswachtmeister Gruen geht zehn Schritt weiter, bleibt vor der Tür von Zelle 357 stehen. Er macht eine jämmerliche Figur, ein Hering mit dem rosaweißen Gesicht eines Säuglings, hellblauen Basedowaugen, einem viel zu blonden Spitzbärtchen, und auf dem blanken Eischädel kein Haar. Wegen seiner schlechten Uniform kotzt ihn der Hauptwachtmeister jeden Tag an, in seinen Schuhen sind Risse, die Schnürsenkel sind Bindfäden, die von der Schuhwichse nur stellenweise gefärbt sind.
Da steht er, Hilfswachtmeister in Diensten der preußischen Justizverwaltung, Empfänger von hundertfünfundachtzig Mark monatlich, von denen er sich, die Frau und drei Kinder zu ernähren hat, zur Zeit Herr über Wohl und Wehe von Station C 4, das sind vierzig Zellengefangene. Unter ihnen liegt der Untersuchungsgefangene Tredup, den Gruen für einen Bombenleger hält. Man hat ihn aus dem Untersuchungsgefängnis ins Strafgefängnis verlegt, damit jede Verständigung mit der Außenwelt unmöglich ist.
Gruen wirft noch einen Blick auf das Glasbauer mit seinem Feind, dem dicken Hauptwachtmeister. Ihm ist etwas wirr im Kopfe, er weiß noch nicht, was er tun will, aber er |165| hat wohl gesehen, was am Tor geschieht. Wenn sie auch denken, er ist mall, er weiß doch: Sie wollen wieder den Bauern eins auswischen, es ist wieder etwas Rotes im Gang, wie damals, als sie ihn an die Wand stellten.
Er schiebt den Riegel von Zelle 357 ganz leise zurück. Dann schaut er durch den Spion: Der Gefangene liegt auf dem Bett und pennt. Gruen nickt vor sich hin und lacht. Er schließt vorsichtig das Schloß, einmal, zweimal. Nun macht er die Tür auf.
Jetzt kann er den Hauptwachtmeister nicht mehr sehen, wenn der aber jetzt dreimal mit seinem Schlüssel auf das Eisengitter klopft, hat er gemerkt, daß der Wachtmeister trotz des Verbot die Zelle aufgeschlossen hat.
Es bleibt alles still. Es ist, als atme das Haus ruhig weiter. Gruen lacht wieder, tritt in die Zelle und zieht die Tür sachte hinter sich zu.
Draußen vor dem Gefängnis ist den ganzen Vormittag ein lebhaftes Kommen und Gehen gewesen. Wohl ist am Vormittag von Feinbube, von Rehder und Rohwer, von Benthin und Bandekow in den Lokalen immer wieder die Parole ausgegeben worden: Der Reimers ist nicht mehr in Altholm, die Demonstration vor dem Gefängnis fällt fort.
Aber da sind Bauern, die neugierig sind, sie wollen das Haus sehen, in dem ihr Führer geschmachtet hat. Und dann ist da ein fremder Bauer aus dem Hannöverschen gewesen, einer mit Stulpenstiefeln und einem Gamsbart auf dem Hut, ein Delegierter, ein ganz Eingeweihter in die Bauernschaft, der hat hinter der Hand geflüstert: Es ist alles nicht wahr, der Reimers ist doch hier in Altholm, und sie halten
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