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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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unverrichteter Dinge nach Hause zu
fahren. Sie zog das Gartentor hinter sich zu und trat auf die Straße. Ihr
Fahrrad lehnte am Zaun, widerstrebend schob sie es auf den Weg.
    Gegenüber führte ein Schotterweg zum alten Gehöft der Vestings.
Früher einmal war es einer der schönsten Höfe in der Gegend gewesen, selbst
heute ließ sich die alte Pracht noch erahnen. Doch die heruntergekommenen
Fachwerkgebäude verfielen zunehmend, und der dahinterliegende Wald verschlang
nach und nach das Gelände. Lange würde es nicht mehr dauern, bis die Gebäude
ineinanderstürzten und der wuchernde Wald den Kampf gewonnen hätte. Es war eine
Schande.
    Der alte Vesting lebte vom Amt. Wohnte dort allein mit seinem
behinderten Sohn und ließ sich niemals blicken. Landwirtschaft wurde schon
lange nicht mehr betrieben.
    Sie können einem leidtun, die beiden, dachte Ada. Trotzdem waren sie
ein komisches Volk, diese Vestings, und sie hatte sich immer ein wenig von
ihnen ferngehalten.
    Nun überlegte sie, ob sie nicht kurz hinübergehen und Guten Tag
sagen sollte. Vielleicht hatte der alte Vesting an Ewalds Todestag ja etwas
gesehen. Schließlich war er nicht auf dem Schützenfest gewesen.
    Ein Schuss ließ sie zusammenfahren. Zwei Fasane flatterten in der
Ferne aus einer Wallhecke und flogen davon. Fast hätte Ada vergessen, dass die
Jagdsaison begonnen hatte. Sie hielt nach den Jägern Ausschau, doch sie konnte
sie nirgends entdecken. Als sie sich wieder zum Hof der Vestings wandte, verwarf
sie ihren Gedanken. Was sollte der verschrobene Mann schon gesehen haben? Dem
war doch ohnehin alles egal.
    Sie stieg aufs Fahrrad und machte sich auf den Heimweg. Sie wollte
sich lieber beeilen, bevor einer der Jäger sie noch für einen Rehbock hielt.
    Gut hundert Meter entfernt stand verborgen hinter einem Rosenbusch
Melchior Vesting, der Ada Horstkemper längst entdeckt hatte. Einer seiner Pfaue
stolzierte mit gemessenem Schritt an ihm vorbei und verschwand in der offenen
Scheune. Vesting trat einen weiteren Schritt hinter den verwilderten Rosen
zurück, um ganz sicher zu gehen, dass Ada ihn nicht sehen konnte.
    Was machte die nur bei Hedwig Tönnes? Konnte sich wohl wieder nicht
um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
    Sie starrte lange zu seinem Hof hinüber, so als überlegte sie, sich
auf ihr Rad zu setzen und zu ihm herüberzufahren.
    Bleib ja, wo du bist, du alte Wachtel, dachte Vesting.
    Schüsse ertönten, Ada schrak zusammen und sah sich um. Dann nahm sie
mit einem Kopfschütteln ihr Rad und machte sich auf den Heimweg.
    Zögernd trat Vesting hinter dem Rosenbusch hervor und blickte ihr
hinterher. Es wurde Zeit, dass er die Menschenfallen überprüfte, die er rund um
den Hof aufgestellt hatte.

5
    Im Wagen des Selbstmörders war ein Abschiedsbrief aufgetaucht.
Bevor er vor den Zug gesprungen war, hatte er ihn auf das Armaturenbrett
gelegt, wo für gewöhnlich die Parkscheine stecken. In dem Brief gestand er den
Mord an seine Frau. Er habe nicht beabsichtigt, sie zu töten, als er mit dem
Beil auf sie eingeschlagen habe. Er sei nur wütend auf sie gewesen, und dann
habe er die Kontrolle über sich verloren. Hambrock hatte schon etliche solcher
Briefe gelesen, es stand beinahe immer das Gleiche drin. Ich wollte das alles
gar nicht, es tut mir schrecklich leid, ich kann mit dieser Schuld nicht leben.
    Er saß an seinem Schreibtisch und betrachtete das Schreiben. Das
Schriftbild war zittrig, die Buchstaben dicht gedrängt und kaum lesbar. Er
fragte sich, was ein Grafologe dazu sagen würde.
    Die Existenz dieses Abschiedsbriefs war eine große Erleichterung für
die Ermittlung. Fügte man ihn der Spurenlage am Tatort hinzu, gab es keinen
Zweifel mehr, dass der Ehemann der Toten den Mord begangen hatte. Es ging jetzt
nur noch darum, alles zu dokumentieren und der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
    Um sich danach den zahlreichen anderen Fällen zu widmen, die leider
nicht so einfach abzuschließen waren.
    Sein Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz vor halb zwei. Erlend würde
gleich kommen, um ihn von der Arbeit abzuholen. Es war im Grunde kaum zu
verantworten, an diesem Freitagnachmittag früher zu gehen. Aber er musste sich
diese Freiheit einfach nehmen. Erlend wusste noch immer nicht, dass der Urlaub
nächste Woche ins Wasser fallen würde. Er hätte es ihr längst sagen müssen,
doch es hatte sich einfach nicht der richtige Moment ergeben. Das schlechte
Gewissen drückte ihn.
    Er stand auf und trat ans Fenster. Elli bog gerade mit ihrem

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