Bauernjagd
Mut und
Stärke, um sich alleine zu behaupten. Eine berufstätige und unverheiratete Frau
musste sich Respekt verschaffen. Sie musste Härte zeigen.
Alwin Kötters hielt vor dem Zaun und stieg vom Rad.
»Grüß dich, Alwin. Wieder unterwegs?«
»Muss ja. Man muss sich fit halten.« Er blickte neugierig über den
Hof und deutete auf Bernhard Hambrocks Auto. »Habt ihr Besuch?«
Ada hob spöttisch eine Augenbraue, drehte sich um und tat, als hätte
sie das Auto selbst gerade erst bemerkt.
»Ach so«, sagte sie. »Ja, das ist die Polizei. Sie sind wegen
Heinrich Uhlmann hier und reden gerade mit Sophia.«
»Sie reden mit allen! Schreckliche Sache. Kaum zu glauben, oder? So
etwas bei uns in Erlenbrook-Kapelle. Wirklich schrecklich.« Natürlich war er
vorbeigekommen, um etwas Neues über den Mord zu erfahren. »Denkst du denn, dass
Hedwig ihn erschossen hat? Mit Ewalds altem Jagdgewehr?«
»Keine Ahnung«, sagte sie unbeteiligt. »Wir sollten lieber keine
voreiligen Schlüsse ziehen.«
»Ja, da hast du wohl recht.« Er räusperte sich umständlich. »Aber
was sagt denn nun die Polizei? Wissen die mehr?«
»Nee. Aber sie werden sicher bald herausfinden, ob sie es war oder
nicht.«
Alwin wirkte enttäuscht. »Es geht uns ja auch nichts an.« Er ließ
seinen Blick wieder über den Hof schweifen, dann fügte er hinzu: »Das würde wenigstens
erklären, weshalb Ewald in der Gülle umgekommen ist. Das war sie dann wohl
auch.«
Ada betrachtete ihn unwillig. Eigentlich gab sie nichts auf sein
Gerede, aber nach einer Weile siegte ihre Neugier. »Du denkst, das war kein
Unfall?«
»Keiner denkt das. Zumindest, was man so hört. Früher, als wir noch
jung waren, da ist so etwas häufiger passiert. Doch wie lange ist das her?
Heute geht man viel vorsichtiger mit der Gülle um. Da passieren keine Unfälle
mehr.«
»Glaubst du wirklich, dass Ewald von Hedwig in die Güllegrube
gestoßen wurde?«
In seiner Stimme lag aufrichtige Empörung. »Um Gottes willen, nein.«
Dann fuhr er verschwörerisch fort: »Man macht sich nur seine Gedanken. Es hätte
keiner gemerkt, wenn sie kurz vom Schützenfest verschwunden wäre. So weit ist
der Hof von der Festwiese nicht entfernt.«
»Ich weiß nicht, Alwin. Natürlich ist Hedwig ein bisschen … eigen.
Aber dass sie deshalb gleich eine kaltblütige Mörderin ist?«
»Man kann den Menschen nur vor den Kopf gucken. Unter uns gesagt:
Ich bin froh, dass sie jetzt hinter Gitter ist. Wer weiß schon, an wem sie sich
sonst noch gerächt hätte. Wenn man erst einmal anfängt mit so etwas, dann ist
es vielleicht gar nicht so leicht, wieder aufzuhören.«
Ada dachte an Marita und an den Anschlag im Maisfeld.
»Wer wäre denn sonst noch ein Kandidat für Hedwigs Rachefeldzug?«,
fragte sie betont beiläufig und schüttelte dann sofort den Kopf. »Ach was. Mir
kann es ja egal sein. Wir Horstkempers hätten wohl nichts zu befürchten gehabt.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst. Ich würde sogar sagen, ihr wärt
die Ersten gewesen.«
»Wieso denn das?«
Sie hatte sich immer gutgestellt mit allen. Das war ihr wichtig
gewesen. Sie hatte dafür gesorgt, dass es niemals Ärger mit den Horstkempers
gegeben hatte.
»Es ist der Neid, Ada. Der pure Neid.«
»Neid worauf denn?«
Die Frage schien ihn ein wenig in Verlegenheit zu bringen. Offenbar
wusste er nicht recht, wo er anfangen sollte.
»Nun ja, du weißt schon. Als Theodor damals diesen Unfall hatte, da
dachten alle, ihr würdet das nicht alleine schaffen. Die Leute meinten, Sophia
müsste wieder heiraten, sonst würde hier alles vor die Hunde gehen. Und jetzt
sieh dich einmal um.« Er deutete in einem Bogen auf die Wirtschaftsgebäude.
»Alles picobello. Ein schöner Betrieb, und er wirft genug für euch ab.«
»Aber was stört Hedwig denn daran?«
Er senkte seine Stimme. »Sie hat finanzielle Probleme.
Wahrscheinlich viel schlimmer, als alle denken. Ihre nutzlosen Söhne haben sich
davongemacht und wollen mit der Landwirtschaft nichts zu tun haben. Achim ist
Trinker und vegetiert in einer Sozialwohnung in Münster vor sich hin. Und
Ludger, lange Zeit ihr großer Stolz, hat jetzt seinen Job verloren.«
»Ludger ist arbeitslos?«
»Hedwig hasst euch, weil ihr so erfolgreich seid. Und das bei den Voraussetzungen:
Früher hattet ihr wenig Land, keinen Mann auf dem Hof. Und als Marita einen
mitbrachte, hat der sich wieder aus dem Staub gemacht. Ihr hattet Schulden und
veraltete Stallungen. Und was habt ihr daraus gemacht! Hedwig dagegen
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